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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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rannte, es gelang ihm nicht, dem dunklen Schatten seines Vaters zu entkommen.«
    Dennoch hat er es immer wieder versucht. Archer Minor trat lautstark für die Rechte von Verbrechensopfern ein. Nach seinem Abschluss auf der Columbia Law School arbeitete er eng mit den Strafvollzugsbehörden zusammen. Er vertrat vorwiegend die Opfer von Gewaltverbrechen, setzte sich für hohe Schadenersatzzahlungen an seine Mandanten ein und forderte lange Haftstrafen für die Täter.
    Die Polizei wollte Spekulationen keinen Vorschub leisten, allgemein wird jedoch die schockierende Theorie vertreten, dass Maxwell Minor den Anschlag auf seinen Sohn in Auftrag gegeben hat. Maxwell Minor hat diesen Vorwurf nicht direkt abgestritten, dazu jedoch die folgende kurze Stellungnahme abgegeben: »Meine Familie und ich sind bestürzt über den Tod meines Sohnes Archer. Ich bitte die Medien, die Familie in Ruhe trauern zu lassen.«
    Ich leckte mir die Lippen und klickte auf den Link zur nächsten Seite. Als ich das Foto von Maxwell Minor sah, war ich nicht im Geringsten überrascht. Es war der Mann mit dem bleistiftdünnen Schnurrbart, den ich auf Otto Devereaux’ Beerdigung gesehen hatte.
    Langsam fügte sich alles zusammen.
    Ich merkte, dass ich die Luft angehalten hatte. Ich lehnte mich zurück und versuchte, mich einen Moment zu entspannen, indem ich die Hände hinter dem Kopf verschränkte und die Augen schloss. Auf meiner geistigen Zeitleiste bildeten sich jede Menge neue Verbindungen. Natalie war bei diesem Mord vor Ort gewesen. Ich nahm an, dass sie Zeugin des Verbrechens geworden war. Irgendwann hatte die New Yorker Polizei herausbekommen, dass Natalie die Frau auf dem Video war. Sie fürchtete um ihr Leben und beschloss zu verschwinden.
    Aber was war dann passiert?
    Irgendwie hatte Natalie Kontakt zu Fresh Start aufgenommen. Wie war das abgelaufen? Ich hatte keine Ahnung. Wie nahm man überhaupt Kontakt zu Fresh Start auf? Ich nahm an, dass die Mitglieder der Organisation die Augen offen hielten. Wie bei Benedict, ehedem Jamal. Sie wandten sich an die Personen, die ihrer Ansicht nach Hilfe brauchten und verdienten.
    Jedenfalls hatten sie Natalie ins Creative-Recharge-Refugium geschickt, bei dem es sich zumindest teilweise um eine Fassade handelte, hinter der sich die Organisation versteckte. Eine brillant gewählte, wie ich hinzufügen möchte. Ein paar der Anwesenden waren wahrscheinlich wirklich aus künstlerischen Gründen dort. Natalie erfüllte beide Voraussetzungen. So hatte man sie für alle sichtbar versteckt. Wahrscheinlich hatten sie Natalie aufgefordert, sich dort aufzuhalten, bis abzusehen war, wie sich die Sache mit Archer Minors Ermordung entwickelte. Wenn es der Polizei ohne ihre Hilfe gelungen wäre, den Täter zu verhaften, hätte sie vermutlich in ihr normales Leben zurückkehren können. Vielleicht hatte die Polizei die Frau auf dem Foto nicht oder noch nicht identifizieren können. Ganz egal, das war sowieso reine Spekulation, wahrscheinlich lag ich aber nicht allzu weit daneben.
    Irgendwann hatte die Realität ihr hässliches Haupt gehoben, die Idylle zerstört und ihre Hoffnung zunichtegemacht, bei ihrem neuen Liebhaber bleiben zu können. Es standen nur noch zwei Dinge zur Auswahl: verschwinden oder sterben.
    Also war sie verschwunden.
    Ich las noch ein paar Artikel über den Fall, fand aber nicht mehr viel Neues. Archer Minor wurde als eine Art rätselhafter Held porträtiert. Er war dazu erzogen worden, der Böseste unter den Bösen zu sein. Sein älterer Bruder war in »Bandenmanier«, wie die Zeitungen es nannten, exekutiert worden, als Archer noch aufs College ging. Daraufhin sollte Archer das »Familienunternehmen« leiten. Ich fühlte mich fast ein wenig an den Film Der Pate erinnert, nur dass der gute Sohn in diesem Fall nicht klein beigegeben hatte. Archer Minor weigerte sich nicht nur strikt, MM beizutreten, er arbeitete unermüdlich daran, sie zu Fall zu bringen.
    Wieder fragte ich mich, was meine süße Natalie spätabends in diese Kanzlei geführt haben mochte. Natürlich könnte sie eine Mandantin gewesen sein, doch das erklärte nicht, warum sie so spät abends dort gewesen war. Sie könnte Archer Minor gekannt haben, ich hatte aber keine Ahnung, woher. Ich wollte gerade aufgeben und diesen Punkt als Zufall abtun, als ich eine kleine, unscheinbare Todesanzeige las.
    Was zum …?
    Ich musste tatsächlich die Augen schließen, sie reiben und noch einmal von vorne anfangen. Weil es nicht sein konnte.

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