Ich finde dich
Augen verengten sich leicht – eher neugierig als misstrauisch. Ich fuhr fort:
»Jedenfalls habe ich vor ein paar Tagen eine Todesanzeige für einen Todd gesehen. Und das war auch der Name des Bräutigams. Todd.«
»Todd ist ein recht gängiger Name«, sagte sie.
»Ja, natürlich, aber in der Todesanzeige war auch ein Foto des Verstorbenen. Es sah aus wie … ich weiß, wie das klingt, aber es sah aus … als wäre es der Mann, der damals meine Bekannte geheiratet hat. Das Problem ist, dass ich Todds Nachnamen nie erfahren habe, also weiß ich nicht genau, ob er es war. Falls er es aber war, würde ich ihr gern mein Beileid aussprechen.«
Lucy Cutting kratzte sich die Wange. »Können Sie sie nicht einfach anrufen?«
»Ich wünschte, das könnte ich, aber das geht nicht.« Ich hielt mich an die Wahrheit. Es fühlte sich gut an. »Erstens weiß ich nicht, wo Natalie – so hieß die Braut –, wo sie jetzt wohnt. Sie hat auch seinen Nachnamen angenommen, daher finde ich sie nicht. Und außerdem, um ganz offen zu sein, hatte ich mal was mit dieser Frau.«
»Verstehe.«
»Falls das in der Todesanzeige also nicht ihr Ehemann war …«
»Könnte es Komplikationen geben, wenn Sie sich plötzlich melden«, beendete sie den Satz für mich.
»Ganz genau.«
Sie überlegte. »Und wenn es ihr Mann war?«
Ich zuckte die Achseln. Sie kratzte sich weiter die Wange. Ich versuchte, möglichst harmlos zu wirken, sogar schüchtern, was bei jemandem meiner Größe nicht besonders gut klappt. Beinah hätte ich angefangen zu blinzeln.
»Vor sechs Jahren war ich hier noch nicht«, sagte sie.
»Oh.«
»Aber wir können in den Terminkalender sehen. Die Buchführung war hier immer einwandfrei – jede Hochzeit, Taufe, Konfirmation, jedes Abendmahl, jede Beschneidung – das wurde alles ordentlich verzeichnet.«
Beschneidung? »Das wäre wunderbar.«
Sie führte mich die Stufen hinab. »Erinnern Sie sich noch an das Datum der Hochzeit?«
Natürlich erinnerte ich mich. Ich nannte es ihr.
Wir kamen in ein kleines Büro. Lucy Cutting öffnete einen Aktenschrank, suchte einen Moment darin und zog einen Kalender heraus. Als sie ihn durchblätterte, sah ich, dass sie recht hatte. Die Aufzeichnungen waren makellos. Es gab Spalten für das Datum, die Art der Veranstaltung, die Teilnehmer, Anfangs- und Schlusszeiten – und alles in einer Handschrift, die fast an Kalligraphie grenzte.
»Dann gucken wir mal, was wir hier haben …«
Sie setzte sich umständlich ihre Lesebrille auf, befeuchtete sich den Zeigefinger mit der Zunge wie eine Schulmeisterin, blätterte noch ein paar Mal um, bis sie die gesuchte Seite hatte. Derselbe Finger glitt die Seite herunter. Als sie die Stirn runzelte, dachte ich mir: Uh-oh …
»Sind Sie sicher, was das Datum betrifft?«, fragte sie.
»Absolut.«
»Ich sehe hier keine Hochzeit an dem Tag. Zwei Tage vorher gab es eine. Zwischen Larry Rosen und Heidi Fleisher.«
»Die ist es nicht«, sagte ich.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Beim Klang der Stimme schraken wir beide auf.
Lucy Cutting sagte: »Oh, hallo, Reverend. Ich hatte Sie gar nicht so früh zurückerwartet.«
Ich drehte mich um, sah den Mann und hätte ihn fast vor Freude umarmt. Volltreffer. Es war der Geistliche mit dem rasierten Kopf, der Natalies Hochzeit vollzogen hatte. Er streckte die Hand aus, um meine zu schütteln, sah mich mit einem routinierten Lächeln an, das allerdings kurz flackerte, als er mir ins Gesicht sah.
»Hallo«, sagte er zu mir. »Ich bin Reverend Kelly.«
»Jake Fisher. Wir sind uns schon einmal begegnet.«
Er setzte eine skeptische Miene auf und wandte sich wieder an Lucy Cutting. »Was gibt’s denn, Lucy?«
»Ich wollte für diesen Gentleman etwas nachschlagen«, fing sie an. Er hörte geduldig zu. Ich musterte sein Gesicht, konnte aber nicht genau sagen, was ich darin sah, außer dass er irgendwie versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Als sie fertig war, wandte er sich an mich und hob beide Hände. »Wenn wir keine Aufzeichnungen darüber haben …«
»Sie waren da«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Sie haben die Zeremonie geleitet. Da sind wir uns begegnet.«
»Ich erinnere mich nicht. Aber wir haben hier so viele Feiern. Sie werden das verstehen.«
»Nach der Hochzeit standen Sie mit der Schwester der Braut vor der Kapelle. Einer Frau namens Julie Pottham. Als ich vorbeikam, sagten Sie, es wäre ein wunderbarer Tag für eine Hochzeit.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Wie sollte ich das
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