Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
habe?«, fragt Warner. Ein Sattelschlepper walzt mich nieder.
Adam wurde ausgewählt .
Natürlich. Mir schickt man keinen beliebigen Soldaten. Warner handelt immer mit Kalkül. Er muss wissen, dass Adam und ich eine gemeinsame Geschichte haben. Der Mann ist noch grausamer und berechnender, als ich vermutet hätte.
»Nein.« Einatmen. »Keine Ahnung.« Ausatmen. Ich darf das Atmen nicht vergessen.
»Er hat sich freiwillig gemeldet«, sagt Warner, und einen Moment lang bin ich völlig verwirrt. »Er sagte, er sei vor vielen Jahren mit dir zur Schule gegangen. Meinte, du würdest dich vermutlich nicht mehr an ihn erinnern, weil er heute ganz anders aussieht. Er war sehr überzeugend.« Er hält kurz inne. »Und er sagte, er sei begeistert, dass du endlich eingesperrt wurdest.« Warner schaut mich an.
Meine Knochen sind wie Eiswürfel, die im Glas aneinanderstoßen, und mir wird kalt bis ins Mark.
»Ich bin neugierig«, fährt Warner fort und legt den Kopf schief. »Erinnerst du dich an ihn?«
»Nein«, lüge ich. Bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch am Leben bin. Versuche die Wahrheit von der Lüge von den Vermutungen von Behauptungen zu trennen, doch verworrene Sätze schlingen sich mir um den Hals.
Adam kannte mich, als er in meine Zelle kam.
Er wusste genau, wer ich war.
Er kannte meinen Namen bereits.
Oh
Oh
Oh
Es war eine Falle.
»Macht diese Information dich … wütend?«, fragt Warner, und ich würde seine lächelnden Lippen gerne zusammennähen.
Ich schweige, und das ist irgendwie noch schlimmer.
Warner strahlt. »Ich habe ihm natürlich nie erzählt, warum du eingesperrt wurdest, weil das Experiment in der Anstalt nicht durch Informationen verfälscht werden sollte. Aber er meinte, du seist immer eine Bedrohung für die anderen Schüler gewesen. Man habe immer allen gesagt, sie sollten sich von dir fernhalten – ohne Begründung allerdings. Adam meinte, er wolle sich gerne aus der Nähe anschauen, was für ein Monster aus dir geworden sei.«
Mein Herz bricht. Meine Augen lodern. Ich bin so verletzt so wütend so entsetzt so gedemütigt so empört und so erschüttert, dass in mir ein Feuer tobt, ein Lauffeuer enttäuschter Hoffnungen. Ich möchte Warners Rückgrat mit der Hand zerquetschen. Ich möchte, dass er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man anderen solche unerträglichen Qualen zufügt. Ich will, dass er meine Schmerzen spürt und Jenkins’ Schmerzen und Fletchers Schmerzen. Ich will, dass er leidet . Vielleicht hat Warner doch recht.
Vielleicht haben manche Menschen es wirklich nicht anders verdient.
»Ziehen Sie Ihr Hemd aus.«
Warner sieht verblüfft aus, aber er knöpft sofort seine Jacke auf, zieht seine Handschuhe aus und entledigt sich seines dünnen hautengen Baumwollhemds.
Seine Augen leuchten widerlich gierig; er macht keinen Hehl aus seiner Neugierde.
Er lässt seine Kleider auf den Boden fallen und schaut mich mit beinahe intimem Blick an. Ich muss den Ekel in meinem Mund hinunterschlucken. Sein makelloses Gesicht. Sein makelloser Körper. Seine Augen, hart und glitzernd wie gefrorene Edelsteine. Er widert mich an. Ich möchte, dass sein Äußeres seinem zerstörten düsteren Inneren entspricht. Ich will seine Selbstgefälligkeit mit einer einzigen Handbewegung zunichtemachen.
Warner geht auf mich zu, bis uns nur noch dreißig Zentimeter trennen. Er ist so groß und kräftig, dass ich mir wie ein abgebrochener Zweig vorkomme. »Bist du bereit?«, fragt er.
Ich erwäge, ihm das Genick zu brechen.
»Wenn ich das jetzt mache, werden sämtliche Kameras aus meinem Zimmer entfernt. Und die Wanzen. Alles.«
Er tritt noch näher. Senkt den Kopf. Starrt auf meinen Mund, als sähe er mich mit ganz neuem Blick. »Meine Versprechungen taugen nicht viel, Schätzchen«, flüstert er. »Oder hast du das schon vergessen?« Noch ein bisschen näher. Seine Hand fast auf meiner Taille. Sein Atem süß und warm an meinem Hals. »Ich bin ein außergewöhnlich guter Lügner.«
Die Erkenntnis trifft mich wie ein Zentnergewicht Vernunft. Ich sollte das nicht tun. Ich sollte mich nicht auf einen Handel mit Warner einlassen. Ich sollte mich nicht zum Foltern verlocken lassen, großer Gott, ich habe den Verstand verloren. Meine Hände ballen sich zu Fäusten, und ich zittere überall. Ich habe kaum noch Kraft zum Sprechen. »Fahr zur Hölle.«
Mir wird schwindlig.
Ich sinke hinterrücks an die Wand und sacke in mich zusammen, ein nutzloses Häufchen Elend. Denke an Adam, und mein
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