Ich gegen Dich
der Bettkante und sah Sienna beim Schuheanziehen zu. Als sie fertig war, setzte sie sich neben ihn.
»An was denkst du?«, fragte sie.
Er dachte an Giraffen. Einmal hatte er im Zoo zugesehen, wie sich zwei paarten. Der Bulle hatte sich verzweifelt abgerackert, um auf seinen albernen Beinen hoch genug ranzukommen. Andauernd war er abgerutscht, und das Weibchen war weitergegangen, auf einem Zweig rummampfend, als hätte sie ihn gar nicht bemerkt. Er hatte sich vorgestellt, so würde Sex sein: irgendein Mädchen mit zusammengebissenen Zähnen, während er sich abmühte. Manchmal war es wirklich so.
Er fragte sich, was Sienna wohl täte, wenn er einfach schwieg, wie lange sie das durchhalten würde. Verstohlen sah er sie an. Ihr Haar war wirr, das Augen-Make-up verschmiert. Als würde er eine Fremde betrachten. Wer bist du?, dachte er. Mit wem hab ich da gerade eine Stunde verbracht?
Schließlich packte sie ihn am T-Shirt und zuppelte daran. »Stehst du nicht mehr auf mich?«
»Ich bin mit 'nem Kumpel verabredet.«
»Es ist dein freier Vormittag.«
Er zwinkerte ihr zu. »Wir haben was vor.«
»Wie jetzt?«
Sie streckte die Hand aus, um ihn zu streicheln, aber er schüttelte sie ab und stellte sich ans Fenster. Er sah auf die Straße runter, versuchte, Jacko herbeizuzaubern.
»Du gehst also mit mir ins Bett und haust dann ab?«
Die Wut prickelte unter seiner Haut. Warum hackten die Weiber ständig auf ihm rum?
Sie verschränkte die Arme. »Du bist so was von armselig.«
Seufzend sah er nach, ob Nachrichten auf seinem Handy waren. Zwei SMS. Den Signalton hatte er überhört, musste gerade mit Sienna beschäftigt gewesen sein. Eine von Jacko: Er sei draußen, die andere von einer unbekannten Nummer. Er öffnete sie.
Willst du mich noch immer kennenlernen?
Wow! Damit hatte er absolut nicht gerechnet!
»Von wem ist das?« Sienna kam neugierig näher, aber Mikey hielt das Handy von ihr weg.
Er schrieb zurück: Heißt das, du magst mich?
»Echt jetzt«, sagte Sienna. »Von wem ist das?«
Sie stand auf und versuchte sich sein Handy zu schnappen, doch er hielt es höher. »Was Privates, okay?«
Sie ließ sich auf das Bett zurückfallen und zog sich die Decke über den Kopf.
»Ich hab dir gesagt, dass ich nicht den ganzen Tag für dich Zeit hab«, sagte er.
Eine Antwort. Du bist okay.
Grinsend schrieb er zurück: Nur okay?
Er steckte das Handy weg. Nach Tagen ohne was hatte er schon fast nicht mehr an sie geglaubt. Er lehnte sich rüber und tätschelte Sienna durch die Decke.
»Muss los.«
Sie riss sich die Decke vom Gesicht und starrte ihn finster an. Er schnappte sich seinen Tabak mit Feuerzeug vom Tisch und hielt ihr die Hand hin.
»Na komm, rauchen wir draußen noch eine, bevor ich weg muss.«
Jacko saß unten auf der Straße auf dem Dach seines Autos. Als sie in der Tür standen, hielt er den Daumen hoch.
Mikey lehnte sich übers Geländer. »Komm gleich, will nur vorher noch eine rauchen.«
»Hattest du deinen Spaß da oben?«
Sienna runzelte die Stirn. »So lässt du ihn daherreden?«
»Er meint es nicht so.«
Leise in sich hineinlachend rutschte Jacko vom Dach, machte eine Autotür auf und holte einen Lappen raus. Liebevoll polierte er die Windschutzscheibe und beugte sich dann vor, um den Seitenspiegeln die gleiche Behandlung zuteil werden zu lassen.
»Sieh sich einer den an«, sagte Sienna. »Nichts außer Sex und Autos im Kopf.«
»Er ist'n Kerl.«
»Er sieht mich komisch an.«
»Er steht auf dich.«
Mikey dachte, das würde sie gnädig stimmen, aber weit gefehlt.
Stirnrunzelnd fragte sie: »Sehn wir uns später?«
»Ich kann nicht.«
»Wir könnten ausgehen.«
»Ich muss arbeiten und dann noch einkaufen.«
»Ich komm mit.«
»Nein.«
»Ich kann später bei dir vorbeikommen, und du stellst mich deiner Schwester vor.«
»Sie will niemanden sehen.«
Noch ein mörderischer Blick von Sienna. »Hast du sie überhaupt mal gefragt? Vielleicht freut sie sich über Besuch.«
»Sie hat jede Menge Freundinnen, die sich auf einen Wink von ihr drum reißen würden.«
»Warum lässt du mich dir nicht helfen? Du musst da nicht ganz allein durch, weißt du.«
O doch. Karyn und Holly gehörten zu ihm und er zu ihnen. Er war der einzige Bruder, den sie hatten.
»Ich weiß nicht, ob das mit uns beiden noch was wird«, sagte Sienna. »Ich versteh nämlich überhaupt nicht, was bei dir abgeht.«
Guter Punkt.
Manchmal stellte Mikey sich vor, dass er ins Wasser ging, jedenfalls so tat, als
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