Ich gegen Dich
umschlang sie, schloss die Augen und versuchte, an nichts zu denken.
Kurz darauf erschien Barry auf dem Rasen.
»Darf ich mich zu dir gesellen?«, fragte er.
Er hatte den kleinen Knirps ihrer Mutter, den er zuklappte, als er unter den Schutz des Baumes trat.
»Ich hab zwar eine Sondergenehmigung gekriegt, im Haus zu rauchen, aber dabei wäre mir nicht wohl gewesen. Hast du was dagegen, wenn ich hier rauche?«
Ellie schüttelte den Kopf, sprachlos vor Verblüffung. Er zog eine Packung Silk Cut und ein Feuerzeug aus der Manteltasche, setzte sich neben sie, zündete sich eine an, und gemeinsam beobachteten sie, wie sich der Rauch in den Regen davonkringelte. Ellies Herz klopfte rasch.
»Ich hab gerade mit deiner Mum gesprochen«, sagte er, »und sie meint, es wär vielleicht eine gute Idee, wenn wir beide uns mal kurz über die Gerichtsverhandlung unterhalten.«
Hatte Mum Ellie nicht gesagt, sie solle den Mund halten und abhauen? Und jetzt hatte sie den Anwalt rausgeschickt, um mit ihr zu reden. Verdammt, was sollte das?
Er sagte: »Meiner Meinung nach ist das Allerwichtigste, Ellie, daran zu denken, dass du die Expertin bist. Du warst die einzige andere Person im Haus, als es zu dem vermeintlichen Übergriff kam, weißt also sämtliche Antworten auf jede einzelne Frage, die dir vor Gericht gestellt werden wird. Es könnte vielleicht ganz nützlich sein, es so zu sehen, meinst du nicht?«
Sie zuckte mit den Schultern. Sie wollte nicht hören, wie einfach es sein würde oder dass sie nur einfach bei der Wahrheit bleiben musste. All das würde ihr kein bisschen helfen.
»Wie wär's, wenn ich dir das Prozedere ein bisschen erkläre?« Er schnippte seine Zigarettenkippe ins Gras und drehte sich rum, um sie besser sehen zu können, deutete ihr Schweigen als Zustimmung. Er redete über ihre Zeugenaussage, die vor Gericht verlesen werden würde, über den Zeugenstand, und dass sie darin stehen müsse, über den Anwalt und all die ganz einfachen Fragen, die er stellen würde – wer zu ihnen nach Hause gekommen sei, wann sie ins Bett gegangen sei, ob sie nachts irgendwelche Geräusche gehört habe. Beim Sprechen verschwamm sein Gesicht zunehmend mit der Dunkelheit, während sich der Himmel verfinsterte und der Regen um sie her immer heftiger wurde. Es war, als hörte man jemanden durch ein Aquarium sprechen. Er sagte: »Du brauchst nur zu wiederholen, was du in deiner Zeugenaussage erzählt hast, nämlich dass du nichts Verdächtiges gehört oder gesehen hast. Das ist doch ziemlich eindeutig. Glaubst du, du schaffst das?«
Am anderen Ende des Gartens, im Fenster, konnte sie ihren Vater in der Küche sehen. Er stand an der Spüle, schaute raus und bewegte die Lippen, wie jemand im Fernsehen bei abgedrehtem Ton. Ihre Mum stand hinter ihm, eine Hand zur Besänftigung auf seine Schulter gelegt. Wenn Ellie nahe genug wäre, könnte sie die Furcht in den Augen ihrer Mutter sehen, wie verzweifelt sie sich abmühte, alles einzurenken. Lass Barry nur machen, sagte sie bestimmt. Ellie ist ein bisschen nervös. Du hältst dich da besser raus.
Sie glaubte, sie hätte alles im Griff und Ellies Worte wären nur ein kleiner Ausrutscher; wenn sie sich nur von einem Fachmann beraten ließ, dann würde sich alles wieder finden.
Ausmerzen, unter den Teppich kehren, übertünchen.
»Es ist schwer für dich«, sagte Barry, »das verstehen wir alle, aber für deinen Bruder ist deine Hilfe sehr wichtig. Niemand sonst kann ihm so sehr helfen wie du.«
Er spielte mit seinem Feuerzeug, zog es an seinem Hosenbein rauf und runter, so dass die kleine Klappe oben auf – und zuging.
Mit eigenartiger Ruhe wendete Ellie sich ihm zu. »Ich hab Tom gesagt, dass Karyn erst fünfzehn ist.«
Zu ihrer Überraschung lächelte Barry. »Hat dir das zu schaffen gemacht – dass Karyn nicht alt genug war, um ihre Einwilligung zu geben?«
»Er erzählt allen, er hätte gedacht, sie wär sechzehn.«
Barrys Gesicht nahm einen Ausdruck an wie bei ihrem Vater, wenn er etwas erklären wollte, das ihr seiner Meinung nach ganz besonders kompliziert vorkommen musste. »Ellie, Menschen vergessen oft Dinge, die man ihnen gesagt hat, besonders wenn es spät am Abend ist oder wenn sie nicht mehr nüchtern sind. Es gab Hintergrundgeräusche, die Musik war laut, es kann also durchaus sein, dass er dich gar nicht gehört hat.«
»Doch, hat er, das weiß ich.«
»Nun ja, er kann sich aber eindeutig nicht daran erinnern, daher können wir es getrost als Beweis
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