Ich gestehe
aus unserer ›Liebesfahrt‹, wie Gaston es nannte, etwas werden sollte: Brigit!
Sie hatte sich vorgenommen, ohne mich zu fragen, daß wir am Sonntag nach Versailles fahren würden, um dort die Filmarbeiten zu einem großen historischen Film anzusehen, den Claude Chabrol am Schloß von Versailles drehte. Mißtrauisch sah sie deshalb zu, als ich einen kleinen Koffer packte, einen seidenen Pyjama hinzulegte (ich würde ihn nicht brauchen, das wußte ich, aber ich nahm ihn mit, weil es sittsamer aussieht, mit einer Nachtbekleidung zu verreisen), Puder, Creme, Zahnpasta und Zahnbürste daneben schichtete und einen dünnen Frisierumhang über alles deckte.
»Du willst verreisen?« fragte sie von der Couch her, wo sie in langen, engen Hosen lag und in einem neuen Roman der Sagan las.
»Ja.«
»Wohin denn?«
Ich stutzte einen Augenblick. In der Freude, mit Gaston zwei Tage verbringen zu können, hatte ich mir keine Ausrede zurechtgelegt, falls man mich fragen sollte. Nun stockte ich mit der Antwort. Einen Einfall, dachte ich. Wenn mir doch bloß ein Einfall käme.
»Ich besuche eine Tagung«, antwortete ich schnell.
»Eine Tagung? Am Sonnabend und Sonntag?«
»Tagungen finden immer an Wochenenden statt, weil die Ärzte sonst schlecht frei bekommen. Ich komme am Montagmorgen wieder.«
»Und wo ist die Tagung?«
»Wo? Ja, wo denn? Irgendein Ort; es ist ja gleich, welcher. In Toulon«, sagte ich.
»Toulon?« Brigit richtete sich auf. Ihr enger Pullover überspannte ihre straffe Brust. Wenn Gaston sie so sehen würde, ich glaube, ich hätte doch Angst, durchfuhr es mich. »Toulon kenne ich noch nicht. Ich fahre mit.«
»Aber das geht doch nicht!« Ich ließ entsetzt ein Unterkleid fallen, das ich in der Hand hielt. »Was willst du denn bei der Tagung?«
»Die Tagung interessiert mich nicht. Aber die Stadt! Während du dir die dummen Vorträge anhörst, wie man am besten Bäuche aufschneidet, bummele ich durch die Straßen. Wir treffen uns dann irgendwo. Du wirst doch nicht zwei Tage lang ununterbrochen Tagungen haben!«
»Es geht nicht!« sagte ich schroff.
»Ach! Fährt etwa Dr. Ralbais mit?«
»Nein! Der eingebildete Affe fährt nicht mit!« Ich war wütend und schrie es heraus. Brigit sah mich mit zur Seite geneigtem Kopf kritisch an. Plötzlich lächelte sie. Ihr schien etwas durch den schönen Kopf gegangen zu sein.
»Er fährt nicht mit?« fragte sie leise.
»Nein!« Wütend packte ich meinen Koffer zu Ende.
»Hm.« Sie sprang auf und trat neben mich. »Ist Toulon schön?«
»Ich weiß es nicht. Ich fahre zum erstenmal dahin. Aber nun laß mich in Ruhe, Brigit.«
»Bitte, Gisèle, bitte. Wenn du nicht willst, daß ich mitfahre, bleibe ich eben hier!« Sie schob schnippisch die Unterlippe vor und zuckte mit den Schultern. »Das Aschenputtel darf man spielen, aber ein bißchen Freude wird einem nicht gegönnt!«
»Brigit, hör mal!« Ich nahm ihren widerstrebenden Arm und zog sie zu mir heran. Ich gab mir Mühe, ruhig zu sein. Innerlich glühte ich vor Freude, Brigit verzichten zu sehen. »So eine Tagung ist etwas sehr Anstrengendes. Wir hätten nichts von diesen zwei Tagen. Aber wenn es einmal möglich ist, dann fahren wir zwei ganz allein irgendwohin und werden uns dann richtig freuen. Ja, Brigit?«
»Ja, Gisèle.« Sie nickte und gab mir die Hand. »Verzeih, daß ich eben so böse war. Du bist eben doch meine große, kluge Schwester …«
Sie begleitete mich bis zur Tür, als ich fortging, und sie winkte mir nach, bis ich in eine Taxe stieg, um – wie sie glaubte – mich zum Gare d'Orléans fahren zu lassen. Ich winkte durch das Fenster zurück und nannte dann dem Fahrer den Platz, wo mich Gaston erwartete. Champ de Mars, am Eiffelturm.
Aufatmend legte ich mich in die Polster zurück, während der Wagen schnell durch die Straßen glitt.
Zwei Tage mit Gaston. Zwei Tage und zwei Nächte.
Ach, Gaston. Ich bin verliebt wie ein kleines Mädchen. Ich habe Herzklopfen, und es würgt mir im Hals, wenn ich an das Zimmer in der Rue du Ranelagh denke, an den kleinen Palast unserer heimlichen, uns verzehrenden Liebe.
Ach, Gaston – ich bin ja so glücklich.
An diesem Samstagabend fand auf der Rennbahn von Longchamp eine Veranstaltung statt. Kein Pferderennen auf der wundervollen Bahn, sondern auf dem großen Rasen zwischen der Rennbahn zeigten verwegene Autoartisten gewagte Kunststücke mit rasenden Wagen. Es war eine Truppe, ähnlich der bekannten amerikanischen Todesfahrer, die Autos von
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