Ich gestehe
allgemeiner Ansicht das beste Bett für ein Eheglück sein. Ich muß zugeben: Lucia war hübsch und charmant, ein bißchen oberflächlich. Sie betrachtete Geld als etwas Vorhandenes, das man ausgeben soll. Ich war damals schon Erster Assistent bei Bocchanini, und jeder, vor allem die Väter, wußten, welche Karriere als Chirurg ich vor mir hatte.«
»Aber Lucia verstand das nicht«, unterbrach ich ihn. »Immer dasselbe.«
»Im Gegenteil. Sie verstand es sehr gut. Sie zog nach Paris. Wir wohnten sogar zusammen und führten eine Ehe auf Probe. Wir waren sogar glücklich, das heißt, ich glaubte es zu sein. Der Fusion der Millionen von Ralbais und Rainbru stand eigentlich nichts im Weg. Doch: die Klinik. Von 24 Stunden am Tag gehörten damals sechzehn den Kranken, zwei Lucia. Dann fiel ich um und schlief.« Gaston räusperte sich und spielte nervös mit seinem Kompottlöffel. »Eines Tages fiel Lucia mir um den Hals und jubelte: ›Wir bekommen ein Kind!‹«
»Gaston. Du hast …?« Mir stockte der Atem. Ein Kind.
Gaston winkte ab.
»Man kann einem Mann, der versucht, einen Pudding an die Wand zu nageln, mit so etwas kommen, aber nicht mir als Arzt. Ich wußte genau: Das ist unmöglich. Das kann nicht sein. Ich möchte jetzt nicht von technischen Einzelheiten sprechen, aber es war einfach absurd, daß Lucia ein Kind bekommen sollte. Gut, ich nahm sie mit zu Prof. Lyndol, unserem Gynäkologen, und der bestätigte Lucias Wahrnehmung: Ja, sie bekommt ein Kind! Sie ist im 3. Monat! Ich erklärte Lyndol die Unmöglichkeit, aber um mich zu überzeugen, tat er, was man sehr ungern bei Schwangeren tut: Er röntgte sie, und ich sah auf dem Röntgenschirm den Fötus im Uterus. Klare Diagnose! Jetzt drängten unsere Väter auf Heirat, aber ich sperrte mich. Ich bin manchmal ein Pedant, Gisèle, und dieses Mal half mir das! Ich wartete die Geburt ab, so sehr die Familien von Skandal schrien, und leitete dann einen erbbiologischen Test ein. Das Urteil war vernichtend: Ich konnte gar nicht der Vater sein. Nichts stimmte überein. Bei einer Familiensitzung, in der ich die Unterlagen der verschiedenen Gutachten vortrug, brach Lucia dann zusammen: Der Vater des Kindes war ihr Reitlehrer in Paris. Sehr sinnig. Und ihre Begründung: Wer sechzehn Stunden in der Klinik verbringt und zu Hause dann einschläft, braucht sich nicht zu wundern, wenn eine junge Frau sich woanders das holt, was sie braucht! Und die immer wieder geforderte Heirat? Du lieber Himmel! Es ging schließlich um 140 Millionen Kapital, das zusammengeführt werden sollte!«
Er legte den Kompottlöffel hin und sah mich eine Weile schweigend an. Auch ich schwieg. Das also war sein großes Erlebnis gewesen. Man wollte ihn – um ordinär mit Fioret zu sprechen – aufs Kreuz legen. Der große Gaston Ralbais, die geniale Chirurgenhand Bocchaninis, der als Chef meistens nur daneben stand und Gaston allein operieren ließ mit der sarkastischen Bemerkung: »Sie tun die Arbeit, Gaston. Ich habe die Verantwortung«, diesen Mann hatte man versucht, bis zu seinem Lebensende zu betrügen.
»Und dann?« fragte ich leise. »Die folgenden Frauen?«
»Episoden.« Er wischte sich über das Gesicht. »Manchmal kam es mir vor, als seien es Racheakte.« Ich stand auf, während er weitersprach und kam um den Tisch herum. »Bis ich dich kennenlernte. Durch dich ist die Welt anders geworden, Gisèle. Du verstehst das alles. Den Pendelschlag zwischen Klinik und Privatleben. Es wird immer nur dich geben, Gisèle.«
Ich küßte ihn auf die Stirn und räumte die Teller ab. »Ich werde dich bei Gelegenheit an dieses Pendel erinnern«, sagte ich fröhlich.
Dabei dachte ich an Brigit mit ihrem tiefen Ausschnitt und dem engen Nylonkleid. Ich war beruhigt, daß alles so gekommen war.
Am Nachmittag, um halb vier Uhr, begann die Operation des Uteruskarzinoms. Zum erstenmal machte ich unter Anleitung Gastons selbständig eine Kaudalanästhesie. Das ist eine Narkose der Nervenwurzeln zwischen den Rückenmarkshäuten, dort, wo sie das Rückenmark verlassen. Mit einer langen, biegsamen Nadel wird die anästhetische Lösung in die Innenräume des Sakrums gespritzt, nachdem die Haut- und Muskelschichten für den tiefen Einstich durch Novocaininjektionen schmerzfrei gemacht wurden.
Prof. Dr. Bocchanini beobachtete genau die Anästhesierung und nickte mir zu. Auf einem Nebentisch lagen die Flaschen mit dem Blutplasma, ein Transfusionsapparat wurde herangeschoben. Vier Assistenzärzte umringten den
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