Ich habe abgeschworen
das Hinabsinken-Wollen ins Nichts wurde zur größten Verlockung. Vielleicht halfen mir schon die Gedanken an diesen letzten Ausweg – denn trotz aller Verzweiflung habe ich nie einen echten Versuch unternommen, mich zu töten.
Die islamische Republik Iran bis heute
Im Krieg gegen den Irak schaffte es Khomeini, den Märtyrertod zu einer wirksamen Waffe zu machen: Zehntausende iranischer Jugendlicher liefen in irakisches Maschinengewehrfeuer, die gefürchteten »menschlichen Angriffswellen«. Um den Hals trugen sie Schlüssel – für die Pforte zum Paradies. Die ersten waren aus Eisen, später mussten Plastikimitate ausreichen. Sie opferten sich wie einst Hussein für seinen Glauben gegen die Sunniten. Genauer gesagt: Sie wurden geopfert. Denn diese Kinder wurden einer Gehirnwäsche unterzogen, gedrillt und gezwungen. Sie lernten in Vorbereitungscamps, nachdem sie teilweise sogar aus den Schulen verschleppt worden waren, Hunden die Kehle durchzuschneiden. Wer sich weigerte, musste mit einem Sack voller Steine auf dem Rücken marschieren, bis er umfiel. Persönliche Sachen waren nicht erlaubt, nur einen Koran bekamen sie alle. Khomeini sah es 1982 so: »Freiwilliges Melden zum Dienst ist religiöse Pflicht.« Das grausame Schicksal dieser Kinder zeigt das Wesen des politischen Islam im Iran – bis heute. Dieses Denken, da bin ich mir sicher, ist nicht reformierbar, denn die Regierung ist, trotz eingeschränkter Parlamentswahl, ja nicht vom Volk gewählt, sondern »von Gott eingesetzt«.
Khomeini betrieb eine Idealisierung des Opfertodes, die bis heute Selbstmordattentäter in aller Welt nachahmen und perfektionieren, bis hin zum 11. September 2001, an dem 19 Menschen über 3000 weitere Menschen mit in den Tod nahmen. Der Islam ist nicht die einzige Ideologie, die Selbstmordattentäter kennt, man denke nur an die Tamil Tigers in Sri Lanka, die mit Selbstmordattentaten einen eigenständigen Tamilenstaat erbomben wollen. Aber es ist kein Zufall, dass die meisten Selbstmordattentäter Muslime sind – sind doch der Glaube an das Paradies und die Hoffnung auf Nachruhm im Diesseits vollkommen kompatibel mit dem politischen Islam.
Die irakischen Schützen, die mit ihren Maschinengewehren im irakisch-iranischen Krieg Tausende wehrloser Kinder niedermähten, wichen, seelisch erschöpft, zurück. Trotzdem hat die Taktik der Kinderopfer Iran keinen wirklichen Kriegsgewinn gebracht. Der Sieg fand auf dem Heimatfeld statt: Einige stolze Eltern bejubelten sogar den sinnlosen Opfertod ihrer Kinder. Manche der Mütter bedauerten nur, nicht noch mehr Söhne geboren zu haben, um sie auf dem Schlachtfeld opfern zu können. Was auf den ersten Blick wie eine Perversion von Mutterliebe aussieht, ist im Grunde logisch in der Mutterideologie des Islam: Stellenwert hat die Frau nur als Mutter von Söhnen. Wenn das Höchste für diese Söhne ist, sich für Allah zu opfern, dann kann es nur Aufgabe jeder Frau sein, Allah so viele Söhne wie möglich zu gebären, die sich opfern können. Auch an dieser Stelle wird deutlich, wie eine Befreiung der Frauen, die Idee eines selbstbestimmten Lebens von Frauen ohne alleinigen Bezug auf Mann und Kinder, den politischen Islam in seinen Grundfesten erschüttern würde.
Gerade deshalb versucht der politische Islam immer wieder, sich den Anstrich von Frauenfreundlichkeit zu geben. Manchmal klingt das unverblümt entlarvend, wie die Aussage des Ayatollah Taleghani auf die Frage nach den Rechten der Frau 1979, kurz nach der Revolution: »Das erste Recht der Frau ist das auf einen Ehemann, das zweite das auf die Mutterschaft.«
Das Regime und die Vertreterinnen und Vertreter des politischen Islam haben gelernt, ihre Wirkung nach innen zu trennen von dem, wie sie sich nach außen, in der Welt der Ungläubigen, präsentieren. Das habe ich selbst erlebt beim Auftritt einer muslimischen Feministin und Abgeordneten des islamischen Regimes, die Ende 1999 zu einem Vortrag in die holländische Universität Leiden eingeladen wurde. Es handelte sich um die Tochter von Hashemi Rafsanjani (er war Präsident der islamischen Republik Iran von 1989 bis 1997). Faezeh Hashemi Rafsanjani war 1996 bis 2000 Abgeordnete im Teheraner Parlament und nannte sich eine muslimische Feministin.
Ich ging mit meinem Mann und politischen Freunden zu dieser Veranstaltung, denn ich war neugierig auf Frau Rafsanjani und hatte einige Fragen an sie. Vor der Universität standen Exiliranerinnen und -iraner und protestierten gegen Frau
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