Ich habe abgeschworen
sagen, wie es im Iran sei und was meine Einschätzung dazu wäre.
Die Konferenz wurde gefilmt, und dieser Film, auch mit einem Stück meiner kurzen Rede, wurde im Iran heimlich verbreitet. Das war dem »Reformer« Chatami dann doch zu viel, 20 Teilnehmer der Berliner Konferenz wurden nach ihrer Rückkehr in den Iran verhaftet. Darunter war Akbar Gandschi, Mitbegründer des iranischen Geheimdienstes unter Khomeini, einer der Reformer. Sein Fall erregte international Aufmerksamkeit, er selbst tritt heute für die Trennung von Staat und Religion ein. Das aber wäre eben keine Reform, das wäre ein Systemwandel. Meiner Meinung nach widerspricht sich Herr Gandschi damit selbst. Akbar Gandschi wurde erst sechs Jahre nach seiner Verhaftung, am 16. März 2006, freigelassen. Ich widerspreche seinen politischen Ansichten, aber seine Verhaftung war absolut unrechtmäßig. Ich bin sehr froh, dass er freigelassen wurde. Die Berlin-Konferenz hat im Iran großen Nachhall gefunden, die Menschen haben darüber geredet, und Freunde, die später aus dem Iran geflüchtet sind, sagten mir, in ihrem Umfeld kannte man nicht nur den Auftritt von Akbar Gandschi, sondern meinen fast noch mehr.
Westliche Politik gegenüber dem Iran ist natürlich von westlichen Interessen bestimmt, dem Zugriff auf Ölvorräte und strategischen Überlegungen. Wie so oft werden Menschenrechte nur im Mund geführt, wenn es gerade passt und sie einer »stillen Diplomatie«, wie Joschka Fischer sie gerne betrieb, nicht im Wege stehen. Ausgerechnet zum internationalen Frauentag fuhr er im März 2000 nach Teheran, um »das Eis zu brechen«. Es folgten weitere Reisen des deutschen Außenministers 2001 und 2003. Selbst im August 2006 war er im Namen seines Nachfolgers Frank-Walter Steinmeier zu einer Mission im Namen der »europäisch-iranischen Beziehungen« in der Islamischen Republik.
Ich bin keine Diplomatin. Ich bin ein sozialer und politischer Mensch. Ich verstehe die »Diplomatie der Gespräche hinter verschlossenen Türen« nicht. Auch Atefah Schaaleh hätte sie wohl nicht verstanden.
Atefah Schaaleh war einfach nur eine Jugendliche. Sie wurde am 15. August 2004 im Iran hingerichtet. Sie wurde 16 Jahre alt. Ihre Mutter war gestorben, als sie ein Säugling war. Der Vater ging arbeiten und war zudem drogensüchtig, im weitgehend alkoholfreien Iran ist die Heroin- und Opiumsucht keine Seltenheit. Atefah wuchs deshalb bei ihren Großeltern auf. Sie kümmerte sich um den Haushalt und um die alten Leute, sie half ihnen ins Bett und kochte ihnen zu essen. Das junge Mädchen muss sich sehr allein gefühlt haben. Wegen ihrer Familienverhältnisse wurde sie von einer Mitarbeiterin der Familienbehörde besucht, die sie als »stürmisches Mädchen« beschrieb, welches »nach Liebe suchte«.
Atefah liebte es, alleine durch die Straßen zu streifen, es war also abzusehen, dass sie ins Visier der Revolutionswächter geraten würde. Manchmal saß ihr Kopftuch nicht streng genug, manchmal sprach sie mit einem Jungen auf der Straße, dann wieder ging sie nicht zielstrebig von A nach B, sondern – schlenderte. Atefah Schaaleh wurde dreimal vorübergehend festgenommen, weil sie ohne Begleitung eines männlichen Verwandten spazieren gegangen war.
Eines Tages nahm sie ein Taxi. Der Fahrer war ein älterer, verheirateter Mann, der ehemals ein Polizist gewesen war. Er gab sich als väterlicher Freund, und Atefah dachte, sie habe jemanden gefunden, der sich für sie interessierte.
Doch der Erwachsene benutzte sie auf brutalste Weise, er vergewaltigte sie. Dann warf er sie aus dem Wagen. In der Gosse lag sie, verletzt an Leib und Seele, als sie wiederum von der Polizei aufgegriffen wurde. Statt ihr Hilfe zu bieten, beschuldigten sie sie des unziemlichen Verhaltens. Diesmal wurde sie gefesselt und fast bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen. Unter den Hieben schrie sie den Namen ihres Peinigers heraus. Daraufhin wurde sie zum Tode wegen Unzucht verurteilt.
Da Iran das internationale Abkommen zum Schutz junger Menschen unter 18 vor der Todesstrafe unterzeichnet hat, wäre selbst unter den Gesetzen der Scharia im Iran die Höchststrafe für dieses »Vergehen« 80 Peitschenhiebe gewesen. Doch in den Akten, die über den Fall an das Oberste Gericht überstellt wurden, um das Urteil zu überprüfen, war Atefah plötzlich gealtert und 22 Jahre alt.
Innerhalb eines Monats wurde das Urteil bestätigt und bald vollstreckt. Im Morgengrauen fuhr einer der mobilen Hinrichtungswagen, die im
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