Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe abgeschworen

Ich habe abgeschworen

Titel: Ich habe abgeschworen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Ahadi , Sina Vogt
Vom Netzwerk:
Gleichberechtigung der Frau. Es gab in der Komalah eine eher kurdisch-nationalistische Strömung und eine eher links-intellektuelle Gruppe, der sich vor allem Studenten zugehörig fühlten. Als das islamische Regime verstärkt Lager in Kurdistan angriff, wurde die nationalistische Tendenz stärker, wie so oft nutzte auch hier der Krieg den Hardlinern.
    Religion war im Lager und bei der Komalah kein Thema, aber der Islam war auch nichts, was kritisch hinterfragt wurde. Selbst einige der Linken, die heute im Iran leben und vorsichtig und heimlich in der Opposition sind, verstehen meinen Entschluss, abzuschwören, nicht. Sie sehen darin eine »Verletzung von Gefühlen«. Ich bekomme E-Mails von Anhängern der linken Opposition im Iran, in denen mir vorgeworfen wird, ich würde die Gefühle von Moslems verletzen, aber keine Politik betreiben. Ich sehe meinen Kampf gegen den Islam als sehr politisch: Der Islam behauptet religiöse Absolutheiten, um die realen Verletzungen des Leibes, der Psyche und des Lebens von Frauen, und letztlich von allen Menschen, zu negieren.
    Im Jahr 2004 fand das ARD-Magazin »Kontraste« auf der Homepage des Zentralrats der Muslime ein Buch, dessen Titel Erlaubtes und Verbotenes im Islam lautete. Darin fanden die Journalisten genaue Anweisungen für den muslimischen Ehemann auf Deutsch. Er darf, heißt es da: » … schlagen, um islamisches Verhalten zu bewahren, und wenn der Ehemann Ungehorsam in etwas sieht, was sie tun muss, oder wo sie ihm gehorchen muss.« 23
    Heute formulieren die Autoren islamischer Literatur vorsichtiger, die Bücher heißen zum Beispiel Über islamisches Verhalten oder Das Buch der Ehe . Die Inhalte sind strikt wie eh und je. Die Lehre des Islam , erhältlich über Milli Görüs, beschreibt den Untergang der Zivilisation, dem nur Muslime entgehen werden. 24 Hier haben wir die religiöse Absolutheit, die das Schlagen der Frau als religiöse Regel, wieder einmal, unhinterfragbar macht.
    Mein Leben als Partisanin
    Die Organisation Komalah war in Kurdistan entstanden, zunächst als maoistisch-linke Opposition. Sie lehnte das islamische Regime und Khomeini radikal ab. In anderen Teilen Irans südlich von Kurdistan war die Komalah kaum bekannt. Es gab dort die Sahand, eine kleinere kommunistische Partei, die auch aktiv gegen das Regime war. Die Komalah hat mit der Sahand zusammengearbeitet. An dieser
    Stelle muss ein heute nicht mehr sehr bekannter, aber bedeutender linker Theoretiker und Aktivist genannt werden, der mich sehr beeinflusste: Mansoor Hekmat .
    Geboren wurde Mansoor Hekmat 1951 in Teheran. Er studierte an der Universität von Schiraz Wirtschaftswissenschaften, ab 1973 studierte er in London, wo er sein Studium auch beendete. Zu dieser Zeit begann Hekmat, das Marxsche Kapital und andere politische Werke zu lesen. Er gründete die Union kommunistischer Kämpfer und nahm nach seiner Rückkehr in den Iran an der Revolution von 1979 teil, auf deren Höhepunkt er einen Arbeiter- und Soldatenrat gründete. Anders als der größte Teil der iranischen Linken lehnte er aber die Treue zum Islamismus und dem Obersten Rechtsgelehrten Khomeini ab. Er sprach vom »Mythos einer progressiven nationalen Bourgeoisie«.
    Auch er musste vor drohender Verfolgung in die kurdischen Berge flüchten. Hier begegnete ich ihm 1981 zum ersten Mal, als er in unser Lager kam. Er war ein freundlicher Mann mit wachen Augen und fast immer einem verschmitzten Lächeln um den Mund. Seine Union marxistischer Kämpfer schloss sich 1982 mit der Komalah zusammen. Sie wurden nun die Kommunistische Partei Irans. Doch die nationalistische Strömung innerhalb der Komalah wollte das Ziel eines autonomen kurdischen Staates nicht hinter sich lassen. Sie hatte dem islamischen Regime kurz nach der Revolution sogar Verhandlungen angeboten. Hekmat verließ deshalb nach einigen Jahren die Kommunistische Partei Iran und gründete 1991 die Arbeiterkommunistische Partei Irans.
    Seine Theorie und Praxis würde ich kurz so umschreiben: Er wollte zurück zu Marx und sah, dass die Arbeiterklasse auf sich allein gestellt war, auch weil sie die einzige Klasse war, die größere Veränderungen im 20. Jahrhundert erwirkt hatte. Der Sowjetunion oder der Volksrepublik China sprach er ab, sozialistische Staaten zu sein, und kritisierte ihre Diktaturen scharf. Entgegen den Ideen des Marxismus hatten sie weder Mehrwert und Lohnsklaverei abgeschafft noch die Produktionsmittel vergesellschaftet. Teilweise waren seine Ansichten

Weitere Kostenlose Bücher