Ich habe einen Namen: Roman
bestellte Brötchen und Eier und fragte
nach Kaffee.
Ich bat den Kellner um
Tee mit Milch und Zucker.
»Wir haben heute Morgen
Kaffee und Bier«, sagte der Kellner.
»Dann Kaffee mit Milch
und Zucker«, sagte ich.
»Die Patrioten sind
wütend auf die Engländer und gewöhnen sich den Tee ab«, flüsterte Lindo mir zu.
»Sie sagen, er schwächt die Kraft des Magens und führt zu Zittern und
krampfartigen Erkrankungen. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Die Engländer
haben sie mit ihrem Teegesetz in Wut geeint, und wenn wir jetzt auch noch die
Indigo-Subventionen verlieren, werden sie in Süd-Carolina noch mehr
Verbitterung säen.«
Ich hatte keinen
Hunger, aber das Gefühl, etwas essen zu sollen. Ich musste gesund und bei
Kräften bleiben und ahnte, dass ich vielleicht bald schon nicht mehr so oft an
einem gedeckten Tisch saß.
Lindo sagte, er habe
einen Brief an William Tryon, den Gouverneur von New York, vorbereitet, in dem
er ausführe, warum die Prämien für den Indigo erhalten bleiben sollten.
Vielleicht könne der Gouverneur die richtigen Leute in London überzeugen.
»Der Brief hat
Korrekturen an den Seiten. Du musst ihn mir ins Reine schreiben, damit ich ihn
morgen überbringen kann«, sagte er.
Ich wollte nicht
einwilligen, es schien aber auch nicht klug, abzulehnen.
»Wo ist er?«, fragte
ich.
»In meinem Zimmer. Ich
lasse dir den Schlüssel da. Auf dem Schreibtisch liegen alle nötigen
Schreibmaterialien.«
Ich nickte. »Wie lange
werden Sie heute unterwegs sein?«
»Ich habe bis zum Abend
Besprechungen«, sagte er. »Es wird stundenlange Überzeugungsarbeit brauchen, um
einen Termin mit dem Gouverneur zu bekommen. Der Mann tafelt und golft den
ganzen Tag mit den Anglikanern.«
Ich nippte an meinem
heißen, süßen, milchigen Kaffee.
»Wussten Sie, dass
Adonis Thomas ein Sklave ist?«
»Wer?«
»Der Cellist von
gestern Abend.«
»Natürlich. Denkst du,
ein Neger könnte ohne Unterricht so spielen lernen? Und wo sollte er diesen
Unterricht bekommen? In Canvas Town?«
»Ich hätte gedacht …«
»Ich habe für so was
jetzt keine Zeit«, sagte Lindo und stand vom Tisch auf. »Sorge dafür, dass der
Brief heute Abend fertig ist. Jemand in London muss begreifen, dass der Indigo
im Hafen von Charles Town verrottet.«
Später konnte ich mich
nicht dazu bringen, in Lindos Zimmer zu gehen. Ich lag auf dem Bett, bis mich
die Geräusche vor meinem Fenster nach draußen lockten. Meine Füße fühlten sich
so leicht an, als berührten sie bereits freie Erde. Die Leute eilten in alle
Richtungen, und niemand hatte etwas gegen mich einzuwenden. Als ich um eine
Ecke bog und mir die Sonne ins Gesicht fiel, fühlte ich mich unendlich optimistisch.
Ich konnte in jede gewünschte Richtung gehen, und so lief ich zur Wall Street.
Dort angekommen, hörte ich Rufen und sah zum Broadway hinauf. Vor einem
eleganten zweistöckigen Holzhaus hatte sich eine komische Menge weißer Männer
versammelt, die alle die Arme reckten: Raufbolde, Arbeiter, aber auch gut
gekleidete Männer
»Wir treten die Tür
ein!«, schrie einer. Die Menge barst vor böser Energie.
Das Haus war weiß
gestrichen, und von der Tür führte ein ordentlich gepflasterter Weg zur Straße.
In einem solchen Haus hätte in Charles Town womöglich ein Mann mit Frau und
Kindern und ein, zwei Sklaven gewohnt. Gab es in dem Haus auch Sklaven? Aus
irgendeinem Grund fragte ich mich, ob diese Männer hinter Negern her waren.
»Nieder mit den
Engländern«, rief jemand.
Eine Gruppe Männer trat
vor und schlug gegen die Tür. Andere begannen Steine gegen die geschlossenen
Fensterläden zu werfen. Die Tür öffnete sich. Ein weißer Butler erschien. Er
wurde nach draußen gezerrt, ins Gesicht und zu Boden geschlagen. Blut lief ihm
aus der Nase, und der Mob brandete über ihn ins Haus. Ich hatte das Gefühl,
weglaufen zu sollen, für den Fall, dass sie als Nächstes auf mich losgingen.
Aus dem Haus kam niemand mehr, ob nun weiß oder schwarz, ich sah nur die
wütenden Männer, von denen immer noch mehr durch die Tür drängten. Einige kamen
bereits wieder heraus, mit Vasen, schönen Mahagonikisten, Stühlen und
Teppichen. Die Fensterläden krachten auf, Seidenvorhänge flogen auf die Straße.
Es hatte etwas Hypnotisierendes, die rasende Wut der Menge zu beobachten, und
als nach ein paar Minuten Plünderer mit einer Kiste Rum auf die Straße kamen
und den Schnaps gierig aus ihren Händen tranken, musste ich denken, was für
eine Panik wohl Mrs Lindo und
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