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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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mei’m Herz, ruh dich aus, für immer.
Lass es und schlaf.«
    Alle lachten.
    »Iss kein Witz«, sagte
Claybourne. »Die ganze Zeit, seit die Rebellen und die Tories auf’nander
schießen, bring ich mei’m Mund bei, mit mei’m Herz zu red’n. Ich sag: Halt an,
und es hält an. Ich sag mei’m Herz, es hat sei’n Job verlor’n. Die Zeit iss
rum, Baby, du biss raus. Und so’n Herz gehorcht wie’n Hund. Und deshalb bringt
mich keiner runter in den Süden.«
    Ein Mann aus der Menge
rief: »He, Claybourne, was für’n Hund hass du als Herz?«
    »’n englischen
Retriever, das iss es.«
    Sam Fraunces ging
entrüstet davon. Für ihn war Claybourne nichts als ein Clown und die Art Mann,
die nie über die Stufe der Sklaverei hinauskommen würde.
    »Nur Clowns und
Claybournes müssen die Amerikaner fürchten«, sagte er. »Die Rebellen wollen
nichts als ihre Freiheit, und sie sind ehrlicher als die Briten. Die Freiheit
hält in diesem Land Einzug, und bald schon wird sie auch für die Neger gelten.«
    1782 las ich den bei
mir vor der Tür versammelten Leuten vor, dass die Engländer beschlossen hatten,
den Krieg mit ihrer Kapitulation zu beenden. An diesem Abend waren sehr viele
gekommen, und sie saßen noch lange stumm und nachdenklich da. Wir klammerten
uns an die Worte der Erklärung von Philipsburg: Jedem
Neger, der die Rebellentruppen verlässt, die volle Sicherheit … Selbst ich hoffte gegen alle Vernunft,
dass sie mich mit nach London nehmen würden. Von dort, und nur von dort, so
stellte ich es mir vor, würde ich die Chance haben, zurück nach Afrika zu
gelangen.
    Am 26. März 1783 kam
das Leben in Canvas Town zum völligen Stillstand. Die Frauen, die den
Engländern die Wäsche wuschen, kehrten von ihrer Arbeit zurück, und die drei
Tellerwäscher und zwei Hilfsköche in Fraunces Tavern ließen ebenfalls alles
stehen und liegen und kamen vor meine Hütte. Schmiede ließen ihr Feuer
ausgehen, Fassbinder wandten ihren Fässern den Rücken zu, die Hafenarbeiter
kamen von den Kais zurück, und es schien ganz so, als drängten sich alle
Männer, Frauen und Kinder der Gemeinde entsetzt zusammen.
    Für alle, die die
Gerüchte noch nicht kannten, öffnete ich die Royal
Gazett e und las laut die
offizielle Mitteilung des Oberkommandierenden der Streitkräfte Seiner Majestät
in den Kolonien vor, die er zum Friedensvertrag herausgegeben hatte.
    Für Canvas Town war
allein Abschnitt sieben des Vertrages von Wichtigkeit, der lautete:
    Alle
Feindseligkeiten zu Wasser und zu Lande werden hiermit eingestellt, allen
Gefangenen wird von beiden Seiten die Freiheit gegeben, und Seine Britannische
Majestät wird sich mit aller gebotenen Eile und ohne jede Zerstörung oder
Mitnahme von Negern oder anderem Eigentum amerikanischer Bürger mit seinen
Armeen, Garnisonen und Flotten aus den besagten Vereinigten Staaten
zurückziehen.
    Die weißen
Bürger New Yorks frohlockten, aber für all die, die der Sklaverei entflohen
waren, war dieser Vertrag eine Katastrophe. Indem sie zugestimmt hatten, keine
»Neger oder anderes Eigentum amerikanischer Bürger« mitzunehmen, hatten die
Engländer uns verraten und dazu verdammt, in die Hände der amerikanischen
Sklavenhalter zu fallen.
    Ermutigt durch die
britische Kapitulation begannen die Plantagenbesitzer ihre Männer zu Razzien
nach Canvas Town zu schicken. Wir richteten ein Wachsystem ein, um nach
Fremden, weißen wie schwarzen, Ausschau zu halten. Für gewöhnlich gelang es
unseren Patrouillen, die Eindringlinge zu fassen, sie zu schlagen und den
Engländern zur Verhaftung zu übergeben. Aber die Sklavenhalter und ihre Agenten
aus Virginia und Georgia waren überall, und das zahlreicher als je zuvor. Sie
fingen Flüchtige ein, wann immer sie konnten.
    Es war gefährlich in
New York, aber noch gefährlicher, die Stadt zu verlassen. New York war der
letzte Ort in den dreizehn Kolonien, der von den Engländern kontrolliert wurde,
und bis sie auch hier abzogen, genossen wir noch eine letzte Art Schutz.
    Ein paar Tage nachdem
alle begonnen hatten, vom britischen Verrat zu reden, kam mich Waters bei
meinem gewohnten Montagmorgenunterricht in Fraunces Tavern besuchen. Er war zu
einem gut aussehenden Mann herangereift und wirkte in voller Uniform, mit
Epauletten, Silberstreifen, glänzenden Knöpfen und allem, besonders bestechend.
An diesem Morgen begrüßte ich ihn dennoch nicht als »Captain Heiligkeit«, mir
war nicht nach Scherzen zumute. Die Engländer hatten die Leute, die sie

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