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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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dir nicht sagen, dass du das Baby loswerden
musst.«
    »Er sagt, ich kann mit
dem Baby nicht zurückkommen. Aber ich brauche auch kein Baby nich. Ich liebe
ihn, und er liebt mich.«
    Lieutenant Waters bot
an, mich zurück nach Canvas Town zu bringen. Ich lehnte ab. Er versuchte,
darauf zu bestehen, aber ich sagte, wenn er wolle, dass ich zurückkäme und sein
Baby auf die Welt brächte, solle er mich in Ruhe lassen.
    »Psst«, sagte er,
obwohl wir alleine waren. »Du bringst ihr Baby auf die Welt, sonst muss darüber
nichts gesagt werden.«
    Ich wünschte, ich hätte
fünf statt des einen Pfunds von ihm gefordert, ließ mich aber von ihm nach
Canvas Town begleiten. Solomon Lindo hatte einige Zeit dazu gebraucht, seine
hässlichere Seite zu zeigen, Lieutenant Malcolm Waters hatte noch am Tag
unseres gemeinsamen Essens seinen Glanz verloren.
    »Wie alt sind Sie?«,
fragte ich.
    »Das ist eine
unverschämte Frage«, sagte er.
    »Wenn Sie wollen, dass
ich Ihnen helfe, sagen Sie es mir.«
    »Zweiundzwanzig.«
    »Und sie ist dreizehn«,
sagte ich.
    »Sie ist alt genug.«
    »Wofür?«
    »Zu wissen, was sie
tut.«
    »Sie glaubt, Sie lieben
sie und werden für sie sorgen«, sagte ich.
    »Die Heilige Erde ist
kein Platz für Kinder.«
    »Sie wollen einfach
kein Baby.«
    »Weißt du einen Ort, an
dem sie unterkommen könnte?«
    »Warum tun Sie nichts
für sie? Warum helfen Sie ihr nicht?«
    »Sie ist mir ans Herz
gewachsen«, sagte er verdrossen. »Ich hatte nicht gedacht, dass es so weit
kommen würde.«
    »Warum helfen Sie ihr
also nicht, jetzt, wo es so weit gekommen ist?«
    »Deshalb bin ich zu dir
gekommen.«
    »Ein Pfund, um das Baby
auf die Welt zu holen, und noch drei, um die beiden in Canvas Town
unterzubringen.«
    »Das ist unverschämt«,
sagte er.
    »Unverschämt ist, dass
Sie das Mädchen mit Ihrem Baby wegschicken. Ich möchte, dass Sie ihr für drei
Pfund eine Hütte bauen.«
    Ein paar
Wochen später kam ein Bote aus der englischen Kaserne, eine Negerjunge, der
keinen Verdacht erregte. Er klopfte an meine Hütte und bat mich, sofort mit ihm
zur Heiligen Erde zu kommen. Ich holte Rosetta Walcotts Baby auf die Welt und
nahm das Geld, um Claybourne und ein paar Männer dafür zu bezahlen, genug
Material für eine Hütte zu stehlen, zu kaufen und zusammenzuzimmern. Direkt
neben meiner Hütte gab es keinen Platz mehr, es waren bereits fünfzehn oder
mehr windschiefe Verschläge neben meinem entstanden, und so kamen Rosetta und
ihr Baby an die Ecke zum nächsten Pfad.
    Während der
nachfolgenden Monate brachte ich noch zehn weitere Babys auf der Heiligen Erde
zur Welt. Ich verachtete die englischen Offiziere, wusste aber, dass es ihren
Frauen ohne meine Hilfe schlecht ergehen würde. Unter den Offizieren der
englischen Kasernen am Broadway und an der Chambers Street wurde ich unter dem
Namen »Ein-Pfund-Meena« bekannt. Mit dem Geld, das ich von ihnen einnahm,
kaufte ich Essen, Kleider und Holz, um es durch den langen, kalten Winter zu
schaffen.
    Im April 1776 dann, ein
Jahr nach meiner Ankunft in New York, kam ich eines Abends vom Unterricht in
der St. Paul’s Chapel zurück und fand eine weinende Rosetta Walcott vor meiner
Hütte vor.
    »Sie sind alle weg«,
heulte sie.
    »Wer?«
    »Die Engländer, wer
sonst. Iss es dir nicht aufgefallen? Seit Tagen rudern sie zu den Schiffen
raus, und gestern Abend sind die Letzten davon. Ich bin noch mit dem Baby hin,
um Lieutenant Waters zu besuchen.«
    »Du nennst ihn
Lieutenant?«
    Rosetta sah mich
ungeduldig an. »Er hatte sie erst einmal gesehen. Aber die Kasernen sind leer.
Die Engländer sind weg. Soldaten, Offiziere, alle. Und er iss mit ihnen weg.«
    Das gesamte britische
Militär hatte sich aus New York City zurückgezogen. Die New Amsterdam Gazette schrieb, dass sich sogar Gouverneur Tryon auf ein Schiff geflüchtet
habe. Die Rebellen kamen den Broadway heruntergeströmt, schossen in die Luft
und hielten Ginflaschen in den Händen.
    Die Gäste in Fraunces
Tavern sangen, jubelten und tranken bis spät in die Nacht. Ich war froh, Arbeit
in der Küche zu haben, fragte mich aber, wie ich jetzt, wo die Engländer weg
waren, genug für Essen, Kleidung und die notwendigen Reparaturen an meiner
Hütte verdienen sollte.
    »Was?«, sagte Sam.
»Glaubst du, die Rebellen haben keine Bordelle? Solange es kämpfende Männer
gibt, gibt es auch Arbeit für Mädchen wie Rosetta – und für dich.«

Neger und andere Besitztümer
     
    Die Rebellen
hielten Manhattan sechs Monate lang.

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