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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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kam
aus meinem Inneren. Es brannte nicht, nur dieser Rauch kam aus mir. Und er kam
immer weiter aus mir, bis die Sonne aufging. Da sah ich, dass auch die anderen
an diesem Morgen aus dem Mund rauchten.
    Die meisten
Heimatländer gewannen mit jedem Tag neue Kraft zurück, aber mir strömte auf
dieser kleinen Insel braunes Wasser aus den Innereien. Mein Körper gab auf.
    Biton kam und setzte
sich zu mir. »Du hast das große Wasser überquert, Kind. Stirb jetzt nicht
hier.«
    Ich schloss kurz die
Augen. Ich hatte keine Kraft, ihm zu antworten. Er blieb bei mir sitzen und
tätschelte mir die Hand.
    Zweimal täglich, ohne
Ausnahme, stellten die Toubabu Eimer mit Essen und Wasser hinter das Tor. Es
reichte immer für uns alle. Fanta stocherte in Reis und Jamswurzeln und pickte
Fleischstückchen heraus, die nach Schwein rochen, wie sie sagte. Die rührten
wir beide nicht an, andere aßen sie gern. Ich nippte am Wasser, hatte jedoch
jeden Appetit verloren. Ich wollte lieber sterben, als Schweinefleisch in
meinen Körper zu lassen, aber Biton kam jeden Tag und ermahnte mich, ich müsse
essen. Er formte Reisbällchen mit den Fingerspitzen und hielt sie mir an den
Mund.
    »Sieh«, sagte er. »Da
ist kein Schweinefleisch drin. Um zu leben, Kind, musst du essen.«
    Fanta murrte, das
Fleisch habe den ganzen Eimer verdorben, doch Biton verscheuchte sie und hielt
mir das Essen an die Lippen. Ich war zu schwach, um zu protestieren.
    An Tagen, wenn ich
nicht vom Boden hochkam, brachte mir Chekura Essen und Fomba Wasser. Fanta
sagte, sie werde mich am Ohr ziehen, wenn ich mich nicht bewegte, aber trotz
meiner Krankheit wollte ich nicht von ihr bemuttert werden. Niemand sprach von
der Revolte und den Morden, doch ich konnte nicht vergessen, was Fanta getan
hatte. Wir, die Überlebenden, bildeten kleine Gruppen, die gemeinsam aßen und
schliefen und den Tag wartend verbrachten. Ich war bei Biton, Chekura, Fanta
und einer jungen Frau namens Oumou. Nachts legten wir uns eng zusammen, um es
behaglicher zu haben. Ich tat mein Bestes, um nicht neben Fanta zu geraten.
    Die Toubabu brachten
uns kaltes Wasser zum Waschen und Schüsseln mit Öl, damit wir unsere Haut damit
einrieben. Die Eimer mit dem Essen brachten sie zweimal täglich, im Übrigen
hielten sie Abstand von uns. Aber sie beobachteten, wer aß und sich einölte und
wer nicht, und drohten, jeden Gefangenen mit ihren Knüppeln zu verdreschen, der
es nicht tat. Chekura bot mir an, das Öl in meine trockene, rissige Haut zu
massieren. Fanta trat zwischen uns und sagte, sie werde sich darum kümmern. Ich
hätte Chekuras sanftere Art vorgezogen, hatte aber nicht den Willen und nicht
die Kraft, mich ihr zu widersetzen.
    »So, jetzt mästen sie
uns«, sagte Fanta und ölte meine Schienbeine ein, »und wir wissen alle, was das
bedeutet.«
    Ich versuchte, auf
Papas Weise zu beten. Ich dachte, wenn ich den Weg zurück zu Allah fand,
rettete mich womöglich jemand. Mittlerweile mussten die Leute in Bayo doch
wissen, was mit mir geschehen war. Sie konnten genug Männer zusammenbekommen,
um die Fänger mit den Feuerstöcken zu überwinden, meiner Spur zu folgen und
mich zu retten. Gebückt, den Kopf gesenkt, wandte ich mich der aufgehenden
Sonne entgegen. Ich wandte mich in die Richtung meiner Heimat. Kommt und rettet mich. Bitte, kommt und rettet mich . Ich begann die rituellen Gebete. Aber
Biton verbot es mir, eine Hand auf meiner Schulter, ernst und reglos. Biton
sagte, erst tags zuvor hätten sie einen Mann verprügelt, weil er so gebetet
habe. Ich solle nicht beten. Mich nicht der Gefahr aussetzen, geschlagen zu
werden. In meinem Zustand, sagte er, würde ich das nicht überleben. Zuallererst
hätte ich die Pflicht zu überleben.
    »Denk an deine Mutter
und deinen Vater«, sagte er. »Du trägst sie im Herzen. Höre auf sie. Sie werden
dir sagen, was du tun sollst.«
    »Und all die Menschen,
die über Bord gesprungen sind, hatten die keine Mütter und Väter?«
    »Denke nicht mehr an
das Schiff, Kind. Es ist nichts als ein verrottendes Gerippe im Gras. Das
Gerippe hat dich mit seinem Gestank und seinen Fliegen erschreckt. Aber du bist
daran vorbeigegangen, es liegt hinter dir, und du musst weitergehen.«
    »Glaubst du, Sie werden
uns holen kommen?«
    Biton half mir auf die
Füße und sah mich mit dunkler werdenden Augen an. »Wer?«
    »Die Heimatländer.
Unser Volk.«
    Biton sah aufs Wasser
hinaus. Ich folgte seinem Blick und sah, dass das Schiff, das uns hergebracht
hatte, nicht mehr da

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