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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Sümpfen fürchteten.
Während der heißen Monate des Jahres, die Georgia die »Fiebermonate« nannte,
war Appleby kaum zu sehen.
    Georgia war überall auf
den Inseln für ihre Hilfe bei Geburten und Krankheiten bekannt, und jedes Mal,
wenn ein Buckra oder ein schwarzer Aufseher von einer anderen Plantage kam, um
sie zu Hilfe zu rufen, verlangte sie eine Bezahlung. Das Eine, was sie mehr
noch als Rum, Tabak oder bunten Stoff wollte, unbedingt wollte, war Chinarinde.
Appleby und die anderen Plantagenbesitzer mussten sie ihr vom Markt in Charles
Town mitbringen und klagten darüber, wie teuer sie sei. Manchmal brauchte
Georgia zehn Geburten, um einen neuen Beutel Rinde zu bekommen. Sie trocknete
sie und zerstieß etwas davon in ihrem handgroßen Mörser, wobei sie darauf
achtgab, auch nicht ein Körnchen zu verlieren. Sie bewahrte die Rinde in einem
Lederbeutel auf, den sie an einen ihrer Dachbalken hängte. Kleine Stücke
zerkaute sie und bot auch mir davon an, aber mir war die Rinde zu bitter.
Abgesehen von mir und Happy Jack, den sie sich gelegentlich ins Bett holte,
verwehrte Georgia allen Negern den Zutritt zu ihrer Hütte. Sie wollte nicht,
dass sich einer an ihren Pulvern und Wurzeln vergriff, besonders nicht an der
Chinarinde, die, wie sie sagte, das beste Mittel gegen Fieber sei.
    Georgia besaß Beutel in
verschiedenen Blautönen. Ich musste mir jede kleine Einzelheit merken. In den
blauschwarzen Beutel kam Thymian, der die Geburt beschleunigte und mit der
Nachgeburt half. Im dunklen, meerblauen Beutel war Stechapfel, ihre
Geheimwaffe, die Leute wahnsinnig machte. Im himmelblauen Beutel sammelte sie
Kiefernnadeln, aus denen sie Tee für verstopfte Nasen kochte, und der hellblaue
Beutel enthielt süßen Fenchel und Anissamen gegen Blähungen.
    »Was iss das?«, fragte
Georgia, um mich zu prüfen.
    »Eine Wegerich- und
Andornmischung gegen Schlangenbisse«, sagte ich.
    »Gut. Und das?«
    »Poleiminze, gegen
Insekten.«
    »Sag bloß kei’m Buckra,
wie schnell dein Kopf iss, Mädchen«, sagte sie. »Der bringt dich gleich zum
Fluss und ersäuft dich.«
    Nicht lange nach dem
Säen des Indigo verkündete Georgia, dass sie mich sehr krank machen würde, aber
nur, damit ich später nicht stürbe. Sie sagte, wir bräuchten Zeit dafür, und
jetzt sei die richtige Gelegenheit. Es gehe eine Krankheit im Land um, sagte
sie. In Charles Town, den feuchten Niederungen und dicht besiedelten Gegenden.
Die Krankheit komme und gehe, sagte sie, und wenn sie komme, raffe sie viele
Leben dahin. Georgia sagte, sie habe von einer alten Frau aus den Sümpfen
gelernt, wie man sich vor den Pocken schütze.
    »Ich sorge dafür, dass
sie dich nicht umbringen«, sagte sie.
    Ich erwiderte, dass ich
kein Messer an irgendeinen Teil meines Körpers kommen lassen würde.
    »Nur’n kleinen Kratzer
in dei’n Arm«, sagte sie.
    Immer noch wollte ich
nicht.
    »Sieh her«, sagte sie
und zeigte mir ihre Schultern und den nackten Rücken. Ich sah viele
Pockennarben. »Das iss alles, was du kriegs’, ’n paar von diesen Narb’n. Ich
mach dich krank, damit du nich stirbs’.«
    »Wann?«
    »Jezz. Da hass du Zeit,
vor der Indigo-Ernte wieder gesund zu wer’n.«
    »Aber Mamed wird mich
schlagen, wenn ich nicht arbeite«, sagte ich.
    »Mamed weiß Bescheid.
Ich hab ihn vor Jahr’n auch gegen die Pocken geschützt.«
    Ich fing an zu weinen.
Sie fasste mein Kinn.
    »Hör schon auf. Ich
schütz dich wie meine eig’ne Tochter.«
    Mit einem scharfen
Messer machte Georgia einen kleinen Einschnitt in meinen Unterarm. Ich hatte
mit dem schlimmsten Schmerz überhaupt gerechnet, aber es war ein schneller
Schnitt, nur einen Zoll lang und nicht zu tief. In den Schnitt drückte sie ein
Stück Faden, das von einem Mann kam, den sie auf die gleiche Weise krank
gemacht habe. Sie schloss den Schnitt und strich Holunderschmalz darüber.
    »Ist das alles?«,
fragte ich.
    »Für heute«, sagte sie.
    »Nicht noch mehr
Schnitte?«
    »Keine Schnitte mehr.
Aber du wirs’ bald krank.«
    »Wann?«
    »In sieben Tagen.«
    Georgia ließ mich nicht
aus der Hütte. Ich musste drinnen essen, den Eimer benutzen und wurde fast
verrückt vor Langeweile. Ich fühlte mich gut, und es gab nichts zu tun. Ich
stritt mit ihr darüber, den ganzen Tag in der dunklen, feuchten Hütte sitzen zu
müssen, aber sie blieb hart. Dann kam das Fieber. Meine Knochen und mein Rücken
fühlten sich an, als wollten sie zerspringen. Aber es ging schnell wieder weg.
    »Kann ich jetzt raus?«,
wollte ich

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