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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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von Jesus hier und Jesus da, und sie rauchen.
Manche von uns haben’n Gott und manche nich, aber’s gibt kein’ verdammten
Nigger in Ca’lina, der kein’ Tabak mag.«
    Ich wusste
nicht, wie ich Georgia erklären sollte, dass Palmwein und Tabak nicht erlaubt
waren, dafür aber Kolanüsse. Seit ich meine Heimat verlassen hatte, hatte ich
keine Kolanuss mehr gesehen. Der Koran war zu kompliziert, um ihn zu erklären.
    Das Baby fing an zu
schreien. Georgia nahm es mir ab und drückte seinen suchenden Mund auf Falishas
Brustwarze. Der Kleine fing kräftig an zu saugen.
    »Das bringt sie wieder
in Schwung«, sagte Georgia.
    Falisha wachte auf und
begann erneut zu pressen. Das zweite Baby kam schnell aus ihr heraus. Ein
Mädchen. Verfärbt und bewegungslos.
    Georgia schnitt die
Nabelschnur durch und lauschte auf den Atem, der nicht kam, das Herz, das nicht
schlug. Sie wickelte das Baby in ein Tuch.
    »Und das zweite?«,
fragte Falisha.
    »Sie ist tot«, sagte
ich.
    »Ein Mädchen?«, fragte
Falisha.
    »Ja.«
    »Ich habe mir immer ein
Mädchen gewünscht.« Falisha fuhr sich mit der Hand vor die Augen, bedeckte ihr
Gesicht und lag ganz still.
    Ich streichelte ihr
einen Moment lang das Haar, aber sie reagierte nicht. Ich stand auf, um draußen
etwas frische Luft zu schnappen. Die Sterne leuchteten besonders hell in dieser
Nacht, und die Grillen sangen ein endloses Lied. Der Himmel war so vollkommen.
Warum war auf der Erde alles falsch?
    Georgia kam mich holen.
»Wir müssen uns beeil’n. Die Buckra kommen bald. Das zweite Baby iss unser
Geheimnis. Keiner weiß nichts. Falisha hat nur’n Jungen gekriegt. Hörs’ du?
Sag’s ihr auch.«
    Georgia packte das tote
Kind unter ihre Kleider. Den Sohn ließen wir an Falishas Brust.
    Als wir zurück auf
Applebys Plantage kamen, kroch im Osten das erste Licht in den Himmel. Wir
blieben einen Moment lang an der Tür stehen, und als wir sicher waren, dass
sich nichts und niemand regte, nahm mich Georgia tief mit in den Wald, den
toten Zwilling begraben. Hinterher gingen wir schnell ins Bett.
    »Ich hab nie einen aus
Afrika geseh’n, der so schnell lernt.« Georgia hielt inne und strich mir übers
Haar. »Aber pass auf, Mädchen. Wenn du zu viel weiß’, bringt dich einer um.«
    »Ich bin nicht
umbringbar«, sagte ich.
    »Du wars’ schon mal
halbtot, als ich dich aufgesammelt hab«, sagte Georgia, »aber jezz bin ich
froh, dass du lebs’.«
    Die Luft
wurde wärmer und feuchter, und mit dem Fleisch auf meinen Knochen, das Georgia
so stolz machte, kehrten auch meine Frauenblutungen zurück. Die Hitze erinnerte
mich an zu Hause, nur die Feuchtigkeit lastete wie ein nasse Decke auf mir. Ich
erlebte das erste von vielen Gewittern. Spätnachmittags färbten sich die
bauschigen Wolken dunkler, und lange bevor der Tag vorbei war, änderte sich das
Licht plötzlich, als wäre es Abend. Blitze zuckten, das Donnern wurde lauter,
und dann explodierte der Himmel. Georgia zog mich vom Waschbottich zurück.
    »Die Blitze lass’n dich
wie’n Stück Speck verbrutzeln«, sagte sie, zog mich in die Hütte und legte mir
einen Arm um die Schultern. »Hoffentlich hält das Dach.«
    Es war nicht einfach
nur Regen. Es war, als würden tausend Eimer Wasser gleichzeitig über uns
ausgeschüttet. Zwei Bäume wurden entwurzelt, ein Blitz zerschlug einen
weiteren. Unser Dach hielt dem Sturm stand, aber ein anderes brach ein. Wir
hörten die Rufe der Neger, die aus der zerstörten Hütte liefen und in einer
anderen Unterschlupf suchten. Nach kurzer Zeit endete das Spektakel so schnell,
wie es begonnen hatte. Der Himmel klarte auf, die Wolken wurden davongeblasen,
und die Kühle des Regens verwandelte sich in der Sonne in dampfende Schwaden.
    Georgia nahm mich mit,
wann immer sie zu einer niederkommenden Mutter auf eine der Plantagen auf den
Nachbarinseln gerufen wurde. Etwa eines von drei Babys starb bei der Geburt
oder kurz danach, und auch nicht alle Mütter überlebten es. Ich war gerne mit
Georgia zusammen, hasste aber die Krankheit und den Tod. Georgia wollte mich
nicht allein auf der Plantage lassen. Sie sagte, ich sei ohne sie nicht sicher,
aber ich bettelte sie an, bleiben zu dürfen, wenn sie vorher schon wusste, dass
die Mutter, zu der sie eilte, krank war.
    Es waren nicht nur
Mütter und Babys, die starben. Der Tod raffte viele dahin, darunter auch Buckra
und erwachsene Neger. Sie starben an Fiebern, die ihnen die Knochen ausbrannten.
Georgia erklärte mir, dass die Buckra die Nebel über den

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