Ich habe einen Namen: Roman
Farbe
angenommen. Als sie ihn aus der Schüssel nahm und gegen die Sonne hielt, sah
das Stück Stoff wie aus dem Himmel geschnitten aus. Bevor sie an die Arbeit
ging, legte sie den Stoff zurück in die Flüssigkeit. Später war er dunkler
blau, fast lila schon, wie meine Lieblingsblumen im Wald, die Binsenlilien.
Georgia schüttelte den Kopf und legte den Stoff noch einmal in die Schüssel. Am
Ende hatte er die Farbe des Nachthimmels, an dem der Vollmond leuchtete.
»Da«, sagte Georgia und
legte den Stoff neben das Feuer.
Als sie sich das
getrocknete Tuch schließlich um den Kopf band, bewunderte ich den Indigoton
über den Falten um ihre Augen und die Mundwinkel. Es kam mir so vor, als hätten
Tuch und Gesicht die Weisheit und Schönheit der Welt in sich aufgesogen.
Wochenlang ernteten und
verarbeiteten wir den Indigo. Ausgerechnet am letzten Tag ließ ich einen Sack
voller Schlamm fallen. Er landete auf dem Boden, platzte und war nicht mehr zu
gebrauchen. Mamed packte meinen Arm, und seine Finger gruben sich in meine
müden Muskeln.
»Allahu Akbar« , rief ich, ohne nachzudenken, und hatte gleich Angst, dass Mamed mich
schlagen würde, weil die Worte Teil eines verbotenen Gebets waren, aber er ließ
mich los und tat einen Schritt zurück. »Allahu Akbar« , murmelte er so leise, dass nur ich es
hören konnte.
Er bedeutete mir, ihm
zum Rand des Waldes zu folgen.
»Wo hast du diese Worte
gelernt?«, flüsterte er.
»Von meinem Vater.«
»Sprach er Arabisch?«
»Beim Beten.« Ich sah
auf seinen Stock, den er ruhig an seiner Seite hielt. »Wirst du mich wieder
schlagen?«
»Wofür?«
»Weil ich die Worte
gesagt habe. Weil ich gesagt habe, dass ich einen Vater hatte.«
»Nein. Ich werde dich
nicht schlagen.«
Diese kleine
Versicherung erlaubte es meiner Wut, sich Luft zu machen. »Fass mich nicht
immer so an. Das tut weh. Meine Arme sind voller blauer Flecke.«
»Die harte Arbeit hört
heute auf«, sagte er. »Die Ernte ist vorbei. Komm heute Abend, nachdem du
gegessen hast, zu mir.«
Ich konnte das Gefühl
von Mameds Fingern, die sich in meine Haut gegraben hatten, nicht abschütteln.
Aber vielleicht gab es etwas zu lernen von dem Mann, der die gleichen Worte wie
mein Vater sprach. Georgia lehrte mich, im Land der Buckra zu überleben, aber
vielleicht wusste Mamed, wie ich hier wieder herauskam.
Mamed wohnte in der
letzten Sklavenhütte. Sie lag ganz am Ende der in Hufeisenform angeordneten
Hütten, war zweimal so groß wie die anderen und hatte dicke Wände aus Kalk,
Sand und Austernschalen. Georgia und ich hatten einen festgetretenen Erdboden,
Mameds war aus Holzbohlen. Wir hatten eine Tür, aber kein Fenster, Mamed hatte
beides. Unsere Hütte war gerade groß genug für ein Bett, einen Hocker und den
nötigen Platz, »um nach draußen zu kommen«, wie Georgia es ausdrückte. In
Mameds Hütte gab es zwei Hocker, einen offenen Kamin zum Einheizen, einen
kleinen Tisch und ein Regal voller Bücher.
Draußen war es längst
dunkel, aber Mamed hatte eine Kerze angesteckt. Sein Bett war aus Holz, stand
erhöht auf Beinen, war mit Stroh und Stoff bedeckt, und er hatte mehrere Decken.
Ich sah mich in der
Hütte um und rückte etwas näher zur Tür.
»Ich habe dich
hergerufen, um mit dir zu sprechen«, sagte er in einem Ton wie Appleby. »Soll
ich dir beibringen, so zu sprechen wie die Buckra?«
»Weiß nicht.«
»Ich könnte es dir
beibringen. Verstehst du sie?«
»’n bisschen.«
»Du hast Angst, dass
ich dir wehtue«, sagte er.
Ich hielt meine Worte
zurück. Wenn Master Appleby mich ansah, ließ er die Augen über meinen Körper
gleiten. Mamed starrte mich auch an, sah mir aber direkt in die Augen, als wollte
er mich abschätzen und verstehen. Jetzt griff er nach einem der Hocker und
reichte ihn mir.
»Setz dich«, sagte er.
Die Sitzfläche war
glatt und mit Öl poliert. Die vier Beine waren kräftig und mit in sie
eingelassenen Querstreben verbunden. Der Hocker war einfach und elegant, und er
erinnerte mich an zu Hause.
»Woher ist der?«,
fragte ich.
»Ich habe ihn gemacht.«
»Wie?«
»Aus dem Stamm einer
Zypresse.«
»Er ist sehr schön.«
»Wenn du Zeit hast,
kannst du schöne Dinge machen. Selbst hier im Land der Buckra.«
»Ist es dein Land?«
»Du meinst, ob ich ein
Afrikaner oder ein Neger bin?«
Ich nickte. Mamed
klopfte auf den Hocker und wartete, bis ich mich gesetzt hatte. Sein Vater sei
der Besitzer einer Buckra-Plantage auf Coosaw Island gewesen, sagte er, und
seine Mutter
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