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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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wissen.
    »Noch biss du nich
fertig«, sagte Georgia.
    Das Fieber kam zurück.
Ich bekam so schlimme Kopfschmerzen, dass ich mich hinlegen und meine Augen vor
dem Licht schützen musste. Wenn ich mich aus dem Bett lehnte, musste ich
spucken. Ich sah, wie einer meiner Zähne in den Eimer fiel. Innerhalb eines
Tages brachen eitrige Wunden in Mund und Nase auf.
    »Es wird so schlimm
riech’n, dass du dich selbs’ hasst«, sagte Georgia, »aber keine Sorge, es geht
vorbei. Der Geruch verschwindet, stör dich nich dran.«
    Auch auf meinem Körper
brachen Wunden auf. Die unter meinen Füßen stachen am meisten. Und sie stanken,
dass ich mich vor Georgia schämte. Ich konnte den Geruch selbst nicht ertragen.
    »Ich kenn das. Ich bin
dran gewöhnt. Du hass gute Wunden«, sagte sie.
    »Was meinst du mit
gut?«, fragte ich. Meine Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Ich konnte nicht
aus dem Bett. Ich wollte sterben.
    »Dass sie getrennt
sind. Eine hier. Eine da. Nich zusammen. Sie berühr’n sich nich. Und nur zehn.
Zehn iss gut.«
    Ich war fast einen Mond
lang krank. Die Wunden verkrusteten, und ich gelobte, sollte ich je wieder
gesund werden, würde ich mich nie mehr beklagen, selbst nicht still für mich,
weil ich in der heißen Sonne oder für die Buckra arbeiten musste. Meine Kraft
kam zurück, und endlich tat auch das Umdrehen im Bett nicht mehr so weh. Dann
saß ich wieder, lief durch die Hütte und konnte etwas essen. Als sich die
letzte Kruste löste, sagte Georgia, ich sei wieder gesund.
    »Geh raus und schnapp
was Luft«, sagte sie. »Bald muss du wieder arbeit’n.«
    Wieder und wieder
untersuchte sie mich in dem Sommer. »Du hass es gut überstan’n. Nur’n paar
Nar’m und keine im Gesicht.«
    Ich sagte, darüber sei
ich froh.
    »Nar’m im Gesicht sind
was Gutes, Kind.«
    »Warum?«
    »Du brauchs’ was, um
dich hässlich zu machen. Biss jezz wie ’ne Blume, und das iss nich gut.«
    Georgia hatte
recht behalten. Zur Indigo-Ernte war ich wieder bei Kräften. Am Abend, bevor
sie anfing, schleppten Georgia und ich Eimer aus einem Lagerschuppen vor die
Hütten der anderen Neger.
    »Wofür sind die?«,
fragte ich.
    »Pisse«, sagte Georgia.
    An diesem Abend standen
oder hockten alle fünfzig Sklaven der Appleby-Plantage über den Eimern und
pinkelten in sie hinein, und am nächsten Morgen schafften Georgia und ich die
stinkende Brühe zu den Bottichen, die ich im Frühling so sorgfältig sauber
geschrubbt hatte. Als wir damit fertig waren, kamen auch Mamed und alle
anderen. Mamed gab seine Anweisungen, und alle außer Fomba und mir wussten genau,
was zu tun war. Mamed befahl Fomba, die Indigo-Pflanzen kurz über dem Boden
abzuschneiden. Fomba begriff nicht gleich, und Mamed zog ihn zur Seite und
setzte einen anderen Mann daran. Dann erklärte er mir, ich solle die Zweige und
Blätter einsammeln und in die Bottiche werfen.
    »Nicht so schnell«,
keuchte Georgia, die mit mir Schritt zu halten versuchte. Am Rand unserer
geschäftigen Gruppe sah ich Appleby stehen. Er war seit ein paar Monden nicht
mehr da gewesen, und ich hatte aufgehört, an ihn zu denken.
    »Master Apbee sieht
zu«, flüsterte ich, »und Mamed sagt, schneller.«
    »Nich so schnell. Es
iss zu heiß. Du muss den ganzen Tag durchhalten. Du muss das ruhig und locker
mach’n.«
    Die Zweige kratzten
böse auf meinen Armen. Ich wollte sie möglichst schnell wieder loswerden, und
so warf ich sie eilig in die Bottiche. Mameds Stock knallte mir gegen die
Beine. Ich war wütend, dass er mich wieder schlug, vor allem, nachdem ich mich
im Frühling so mit den Bottichen angestrengt hatte. In diesem Moment hatte ich keine
Angst vor ihm. Ich war nur wütend.
    Mamed packte mich beim
Arm. »Geh ruhig«, sagte er. »Schnell, aber ohne zu rennen. Der Indigo ist wie
ein schlafendes Baby. Geh ruhig, damit es nicht aufwacht.«
    Ich versuchte mich aus
seinem Griff zu befreien, aber er hielt mich fest.
    »Sieh«, sagte er und
zeigte auf die Blätter in Georgias Armen. »Siehst du den feinen Puder?« Ich sah
die dünne Staubschicht auf den Blättern. »Wenn du die Blätter schüttelst,
fliegt der Staub davon. Wir arbeiten für den Staub. Den Staub wollen wir. Geh
ruhig. Sei sanft mit den Pflanzen.«
    Ich blitzte Mamed
grimmig an, doch dann sah ich, dass uns Appleby beobachtete. Fliegen und Mücken
summten um uns herum und krochen mir in Ohren und Haare. Zwei Neger fächelten
Appleby mit Zedernzweigen Luft zu, vier andere wedelten über die Bottiche,
damit keine Insekten

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