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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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niedergeschmettert, dass ich ihn verpasst hatte.
    »Er kommt wieder,
Schätzchen. Iss drüb’n auf Lady’s Island. Nich weit. Der kommt wieder, wie’n
hungriger Köter.«
    Wir hatten
eine zweite Runde der Indigo-Ernte durchzustehen. Die Arbeit war genauso
schwer, aber wenn wir unsere täglichen Aufgaben erfüllt hatten, durften wir
kochen, im Garten arbeiten oder unsere Kleider flicken, und kein Buckra kam, um
uns zu stören. Manchmal, wenn mich keiner sah, kletterte ich im Wald auf einen
hohen Baum und übte die Worte, die Mamed für mich aufgeschrieben hatte. Als ich
erst einmal Katze, Hund, Löwe, Wasser, Vater und ähnliche Worte gelernt hatte, ging
es schnell weiter. Mamed wusste, wie er mein Interesse aufrechterhalten konnte.
Er sagte, er unterrichte mich so, wie seine Mutter ihn unterrichtet habe.
Einmal hieß es: »Der Hund fraß die Katze«, dann: »Die Katze lief dem bellenden
Hund davon.« Und dann: »Der bellende Hund jagte die Katze auf den Baum, und die
Vögel flogen aus ihrem Nest.« Sprache und Worte setzten sich wie die Teile
eines Rätsels zusammen, und ich wollte jeden Tag mehr erfahren.
    Wenn der Leseunterricht
vorbei war, erklärte mir Mamed, wie verschiedene Dinge auf Applebys Plantage
funktionierten. Manchmal stellte er mir auch Fragen.
    Fomba hatte seit seiner
Ankunft auf St. Helena nicht ein einziges Wort gesagt. Seine Unfähigkeit, den
Anweisungen bei der Indigo-Ernte zu folgen, machte Mamed wütend, und eines
Abends fragte er mich nach ihm.
    »Was hat er in deinem
Dorf gemacht?«
    »Gejagt, und wir haben
gegessen, was immer er erlegt hat.«
    »War er ein guter
Jäger?«
    »Der beste«, sagte ich.
»Er hat Kaninchen mit einem einzigen Steinwurf erlegt.«
    Schon wenige Tage
darauf ließ Mamed einen erfahrenen Neger zusammen mit Fomba ein Kanu aus Bambus
bauen. Sie verschnürten die Stangen mit Schilf und fällten einen
hochgewachsenen jungen Baum, den er als Stange benutzen konnte. Dazu schnitzten
sie ein Paddel aus Zypressenholz. Fast über Nacht lernte Fomba mit dem Kanu
umgehen, als wäre es ein Teil seines Körpers. Schon stakte und paddelte er über
die Flussläufe und das Wasser zwischen den Inseln, brachte Netze aus und fing
Garnelen, Krabben und Fische. Mamed befreite ihn von allen Arbeiten mit dem
Indigo, wofür er nachmittags mit allem zurückzukommen hatte, was er aus dem
Wasser zog. Aber Fomba tat nicht nur das. Er brachte auch Eichhörnchen,
Opossums, wilde Truthähne und Schildkröteneier für Mamed und den Rest von uns.
Alle genossen das, was er zusätzlich für die Kochtöpfe brachte, und begannen zu
akzeptieren, dass er sich nützlich machte, wenn man ihn allein ließ.
    Georgia
mochte mein Lernen nicht, aber es gefiel ihr, die Hütte abends für sich zu
haben. Wenn ich zu Mamed ging, kam mir oft Happy Jack entgegen, der zu Georgia
wollte. Er war der einzige Mann, den ich kannte, der gleichzeitig gehen,
pfeifen und einen Stock anspitzen konnte. Oft brachte er Blumen mit, die er im
Wald gepflückt und sich hinters Ohr gesteckt hatte, damit er die Hände frei zum
Schnitzen hatte.
    Eines Abends, als ich
von meinem Unterricht zurückkam, hatte mir Georgia etwas zu erzählen. »Happy
Jack und ich sind rumgerollt und ha’m geächzt und geschwitzt und’s ging uns
bestens, da kommt das afrikanische Großmaul rein. Happy Jack springt auf und
iss weg. Weg iss mein Mann. Und ich steh mit dem knochigen Afrikaner da, und
der sagt immer nur dei’n Namen. Ich hätt den Jungen bis drei Tage in die
nächste Woche rein vermöbeln könn’.«
    »Wohin ist er
gegangen?«
    »Weiß nich, ich hoffe,
weit weg. So wie dem das Maul gewachs’n iss …«
    Ich rannte in den Wald
hinter unserer Hütte und rief seinen Namen. Er versteckte sich hinter einer
Baumgruppe, und ich flog ihm in die Arme und drückte ihn an mich, bis ich
spürte, dass er eine Erektion bekam. Ich fuhr zurück. Die Worte auf Fulfulde
sprudelten nur so aus mir heraus. Ich wusste nicht, wo er lebte, wo er gewesen
war, was er gesehen hatte, und wollte alles auf einmal wissen.
    Georgia kam von hinten
heran und sagte, sie werde bei Sonnenaufgang zurück sein. Nein, sagte Chekura,
nicht Sonnenaufgang. Es verblüffte mich, dass er das Neger-Englisch nicht
annähernd so gut sprach wie ich. Georgia hatte keine Lust, lange herumzustehen
und auf Übersetzungen zu warten, und so erklärte ich ihr schnell, dass er da
längst wieder auf seiner Plantage sein müsse. Sie zuckte mit den Schultern und
ging zu Happy Jack.
    Chekura sah mich

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