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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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noch nie ’ne Afrikanerin geseh’n, die nich
kocht und so natürlich redet.«
    Ich lächelte sie an. »Ich
esse gerne«, sagte ich, »aber ich hasse es zu kochen.«
    »Wenn ich’s hassen
würde«, sagte Dolly, »würde Master Lindo mich rausschmeiß’n. Da muss du was
and’res gut könn’.«
    Während
meiner ersten Wochen in Charles Town musste ich Dolly bei ihren Besorgungen
begleiten. Jeden Morgen gingen wir Obst, Gemüse und Brot kaufen. Dolly machte
ihre Einkäufe gerne, bevor die Gewitter aufzogen.
    Wenn wir über die
schmutzigen Straßen der Stadt liefen, musste ich immer wieder zur Seite
springen, um nicht von Pferdegespannen überfahren zu werden. Charles Town
stank. Es stank nach Pferdedung und menschlichen Exkrementen, nach den Tieren
in den Straßen und nach Menschen, die sich niemals wuschen. Dazu kam der
Gestank verfaulenden Essens, das einfach weggeworfen wurde und manchmal auch im
Ashley River landete. Am schlimmsten aber war es, wenn ein Sklavenschiff
anlegte. Auch ohne zum Hafen oder in Richtung von Sullivan’s Island blicken zu
müssen, konnte jeder sagen, wenn wieder eins kam. Der Gestank der Toten und
Sterbenden, der die Luft dann schwängerte, war so schwer, dass ich würgen
musste.
    Um mich von den
Gerüchen und dem Gestank abzulenken, studierte ich die Kleider der Frauen.
Dolly trug keinen der rauen Stoffe, die mir auf St. Helena die Haut zerkratzt
hatten. Ihre Kleider waren aus besserer Baumwolle, oft rot oder blau gefärbt,
und sie trug dazu gerne einen Unterrock. Die Lindos gaben auch mir neue Sachen
zum Anziehen, aber ich nahm lieber das Stück Stoff, das Mr Lindo mir geschenkt
hatte, und wickelte es mir auf afrikanische Art um den Körper, mit einem Knoten
an der Hüfte. Bei der Arbeit in »Lindostadt«, wie sie das Haus nannte, band
sich Dolly für gewöhnlich kein Kopftuch um und ging barfuß. Aber draußen auf
der Straße hätte man sie selbst tot nicht ohne rotes Kopftuch, einen orangenen
Schal um die Schultern und ihre roten Schuhe mit den großen Messingschnallen
angetroffen. Dolly und ich machten uns gegenseitig auf bunte Schuhe und
Seidentücher, Unterröcke und weiße Handschuhe aufmerksam. Dolly war so in
Schnallenschuhe vernarrt, dass sie eine kleine Sammlung alter, ausgetretener
Paare unter einem losen Bodenbrett hinten in unserem Haus versteckte. Hin und
wieder holte sie die Schuhe hervor, entstaubte sie und probierte sie an.
    Eines Tages deutete
Dolly auf eine Frau mit einem Seidenunterrock und sagte: »Sieh dir das an. Was
für ’ne schmucke Frau, angezogen wie die Königin.«
    »Die Königin?«, fragte
ich.
    »Weiß du nich mal was
vom König und der Königin?«
    Nein.
    »König George und
Königin Charlotte«, sagte Dolly. Schahlot sprach sie ihren Namen aus.
    »Was macht der König?«,
fragte ich.
    »Er ist der Master vom
ganz’n Land.«
    »Welchem Land?«, wollte
ich wissen.
    »Allem Buckra-Land. Und
sie iss die Master-Frau.« Wir gingen eine Minute, während ich darüber
nachdachte. Dann beugte sich Dolly zu mir und sagte: »Sie nenn’n sie die
schwarze Königin.«
    »Wieso das?«
    Dolly flüsterte: »Hat
was Afrikanisches in sich.«
    Ich glaubte ihr nicht.
Niemals würde eine Afrikanerin die »Master-Frau« des ganzen Landes werden.
    Alle Händler des
Marktes wussten, dass Dolly für Lindo arbeitete. Gewöhnlich kaufte sie ihr
Gemüse und die Gewürze von einem Neger, der allein auf einem Holzstumpf saß,
den er jeden Tag auf einem Karren mitbrachte. Er hieß Jimbo und hatte so gut
wie überall im Gesicht Haare. Eine dicke, dichte Haarmatte. »Sieht böse aus«,
sagte Dolly, »iss aber gut.«
    »Haarig wie ein Hund«,
antwortete ich ihr flüsternd.
    »Was braucht Mr Lindo
heute?«, rief Jimbo Dolly zu.
    »Das beste Gemüse, das
du hass«, sagte sie.
    »Ich hab immer nur das
Beste für Mr Lindo«, sagte Jimbo. »Er hält mich im Geschäft. Er iss so, wie ich
die Weißen mag. Ich geb dir Okra, Gartenbohnen, Tomaten und drei Hühnerhälse.«
    »Lindo will deine
Hühnerhälse nich«, sagte Dolly.
    »Ich geb sie dir, damit
du mich noch mehr liebs’«, sagte er.
    »Ich bin schon von so’m
Rumtreiber geliebt wor’n«, sagte Dolly und klopfte sich auf den Bauch. »Ich
brauch kein’ Mann nich mehr. Aber leg die Hälse hier in den Korb, ich koch sie
mir.«
    »Wer iss denn deine
kleine Freundin?«, fragte Jimbo.
    »Frag nich nach ihr’m
afrikanischen Namen. Ich kann ihn nich sag’n. Wir nennen sie Meena. Lieb. Nett.
Aber sie kommt direkt aus’m Wasserland und

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