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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Messner
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lässt gelegentlich eine frommere Einstellung vermissen. Sein Ausbruch ist umso auffälliger, als wir heute im dröhnenden Wind nur wenig reden und meist schweigend voranstapfen. Ich drehe mich fragend im Gehen um, und bevor ich seinem entgeisterten Blick folgen kann, entfährt Myra ein empörtes „Look at this!“
    In dem Moment sehe auch ich die Bescherung an uns vorbeiradeln. Eine Frau mittleren Alters -dem Aussehen nach deutsch oder holländisch - hat die Sonnenblume auf den Gepäckträger geschnallt. Größe und Aussehen passen genau zu unserer kleinen Aufmunterung vom Wegesrand!
    Millionen Jahre der Evolution, der Aufklärung und Philosophie sind in Sekunden zunichte gemacht: Nach kurzer Empörung folgen ihr zielgerichtet unsere guten Wünsche wie Boden-Boden-Raketen, während sie am Horizontentschwindet. Ich will hier keine tugendlosen Details aufführen, aber der freundlichste Wunsch für die Blumendiebin bezieht sich auf mindestens zwei Reifenpannen täglich - von hier bis Santiago. Ich stelle fest: Pilgern ist nichts für Pazifisten .
    In Belorado angekommen, liegt die öffentliche Herberge als architektonisches Kleinod gleich neben der Kirche. Zwei Frauen sitzen auf einer Steinbank und betrachten ihre bepflasterten, nackten Füße. Ich frage, ob es sich um einen Fuß-Schönheitswettbewerb handele. Ob ich denn in die Jury möchte, kommt die Gegenfrage. Sonst gerne, antworte ich. Nur auf dem Camino hätte ich da meine Skrupel.
    Myra hatte heute einen schlechten Tag und kultiviert für sich persönlich den Verdruss. Der anstrengende Weg und der seit Tagen schwelende Konflikt mit ihren drei kanadischen Bekannten nagen wohl an ihr. Sie heult zur Kaffeepause und meckert an ihrem Schicksal herum, aber wir muntern sie im Rahmen der Möglichkeiten auf. Sie hat sich einen realistischen Zeitplan mit Bus-Sprung ab Burgos zurechtgelegt. Ihre drei Bekannten können im bisherigen Plan Santiago niemals erreichen. Das bisher aufgeschobene Gespräch mit der zweiten Myra der Gruppe steht nun allmählich aus. Die Damen hatten nämlich eigentlich weitere gemeinsame Reisepläne nach Portugal.
    Nach 23,5 Kilometern wirklich harter, sonntäglicher Pilgerarbeit laufen wir um 12.15 Uhr in Belorado ein. Pilger kennen eben kein Wochenende. Ich nehme mir mit schmerzenden Füßen und Fußgelenken ein Zimmer in einer Pension. Noch zwei Tage bis Burgos, noch 558 Kilometer bis Santiago, schon 240 geschafft. Wenn alle Tage so wären, wie der heutige, müsste man über eine vorzeitige Abreise nachdenken und die Reiseführerin mit dem nackten Arsch auf den Grill setzen.
    Dein Wort, Herr, ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg (Psalm 119, 105)

13. Tag von Belorado nach Agés
    Der gestrige Tag mochte mit seinem ungemütlichen Gegenwind und der trostlosen Umgebung als Prüfung für die guten und als Strafe für die schlechten Pilger verstanden werden. Der heutige Montag ist mit strahlendem Sonnenschein, 25 Grad im Schatten und einer herrlichen Mittelgebirgslandschaft ein Geschenk. Ein paar schöne Anstiege, die grünen Krüppeleichenwälder, das blau-rosa getupfte Heidekraut und schöne Ausblicke in die karge, aber sympathische Landschaft sind eine Pracht. Wir durchqueren nundie sogenannte Meseta. Eine Hochebene, die uns, immer um die 900 Meter über dem Meer gelegen, durchs nördliche Zentralspanien führen wird.
    Wir sind heute bis auf ordentliche 1160 Meter Höhe geklettert, den Monte de Oca. Auch unser Übernachtungsdorf hat noch 1000 Meter Meereshöhe. Ich habe mein Einzelzimmer in einem uralten, rot gestrichenen Fachwerkhaus. Das Nest hat 160 Einwohner und nur ein paar Handvoll intakter Häuser. Die Hälfte des ursprünglichen Dorfes ist eine schon lange verlassene Trümmerlandschaft. Wie in so manchem Dorf ist der Camino ein wirtschaftliches Gottesgeschenk für die Bewohner. Umso erstaunlicher, dass man durch Dörfer latscht, die nicht mal zwischen sieben und neun Uhr, zur Pilger-Rushhour, ein paar aufgebackene Croissants und Kaffee anbieten. Mit drei Stunden Arbeit pro Tag und 1000 Euro Investition könnte man leicht 200 Ocken am Tag machen, rechnen wir uns aus. Aussteigerträume.
    Die Ignoranz ist in dieser Gegend bei so manchem Ureinwohner Lebenseinstellung. Wie gestern Abend und heute Vormittag: Wenn den Bedienungen zu viel Kundschaft da ist, stellen sie das Servieren auf der Terrasse einfach ein und verdrehen bei jeder Bestellung gereizt die Augen. Auch gibt es keinerlei Planung und Vorbereitungen. Da lässt man

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