Ich habe mich verträumt
Schlange. Er tänzelte im Zickzack durch die Tische in Richtung Küche, ohne zu bemerken, dass ich nicht mehr hinter ihm war.
„Hier, bitte sehr“, sagte der Gast und befreite die Tasche vom Stuhl. Und gerade als ich mich umdrehte, um meinem Freund hinterherzugaloppieren, hörte ich die Stimme meiner Mutter.
„Grace! Da bist du ja!“
Meine komplette Familie strömte in das Lokal. Margaret, mit großen Augen. Andrew und Nat, Händchen haltend. Dad, der Mémés Rollstuhl schob, gefolgt von Mom. Außerdem die Carsons – Letitia und Ted.
Mein Verstand schien komplett auszusetzen. „Hallo zusammen!“, hörte ich mich wie durch einen Nebel sagen. „Was macht ihr denn hier?“
Nat drückte mich an sich. „Mom bestand darauf, dass wir euch überraschen. Nur, um Hallo zu sagen – wir wollen euch nicht den gemeinsamen Abend verderben.“ Sie löste sich wieder, um mich anzusehen. „Es tut mir wirklich leid. Ich habe sie hundert Mal gebeten, es nicht zu tun, aber du weißt ja, wie sie ist.“
Margaret sah mich an und zuckte mit den Schultern. Tja, sie hatte es versucht. Ich hörte meinen Pulsschlag in den Ohren und fühlte ein hysterisches Lachen in mir aufsteigen wie eine zappelnde Forelle.
„Grace, Schätzchen! Du bist ja so eine Geheimniskrämerin!“, rief Mom und sah zu unserem Tisch, auf dem ganz verlassen zwei Martinis und ein Teller mit Rockefeller-Austern standen. „Ich habe Letitia von deinem wunderbaren Arztfreund erzählt, und sie konnte es gar nicht erwarten, ihn kennenzulernen, und da musste ich ihr sagen, dass noch nicht einmal wir ihn kennengelernt haben, und da dachte ich, na ja, da schlage ich doch am besten gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Du erinnerst dich an die Carsons, oder?“
Natürlich erinnerte ich mich. Ich war drei Wochen davon entfernt gewesen, ihre Schwiegertochter zu werden! Eines Tages, irgendwann in ferner Zukunft, würde ich meiner Mutter das hier verzeihen können. Wobei, wenn ich genauer darüber nachdachte– nein. Meiner Erfahrung nach waren die Carsons unnahbare, zugeknöpfte Menschen ohne jeglichen Sinn für Humor.Mir gegenüber hatten sie nie etwas anderes gezeigt als distanzierte Höflichkeit.
„Guten Abend, Mrs Carson, Mr Carson. Schön, Sie wiederzusehen.“ Die Carsons lächelten unsicher. Ich erwiderte ihr Lächeln in gleicher Weise.
„Was esst ihr da? Sind das Austern? Ich esse keine Schalentiere“, dröhnte Mémé. „Die sind eklig und schleimig und voller Bakterien. Ich habe auch so schon genug Verdauungsprobleme.“
„Grace, Schätzchen, es tut mir leid, wenn wir euch hier stören“, murmelte Dad und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Deine Mutter ist ein bisschen wild geworden, als sie hörte, dass ihr nicht kommt. Was siehst du hübsch aus! Also, wo ist er? Wo wir nun schon mal hier sind.“
Andrew sah mich an. Immerhin kannte er mich ziemlich gut. Er neigte den Kopf und lächelte erwartungsvoll.
„Er ist … äh … auf der Toilette“, sagte ich.
Margaret schloss die Augen.
„Genau. Er … ähm … fühlt sich nicht besonders gut. Ich gehe besser mal nachsehen. Und sage ihm, dass ihr hier seid.“
Meine Wangen brannten, als ich durch das Restaurant ging (und ging und ging – mein Gott, es schien ewig zu dauern). Im Foyer gestikulierte Cambry in Richtung der Toiletten, und tatsächlich war dort Julian, der im Vorraum der Herrentoilette wartete und durch den Türspalt lugte. „Was sollen wir tun?“, flüsterte er. „Ich habe Cambry gesagt, was los ist. Er kann uns helfen.“
„Ich habe behauptet, Wyatt ginge es nicht gut. Und jetzt musst du Wyatt spielen.“ Ich spähte zurück ins Lokal. „Jesus, Maria und Joseph auf dem Esel, da kommt mein Dad! Geh in eine Kabine. Los!“
Die Tür schnappte zu, und ich hörte, wie eine Kabinentür zugeschlagen wurde, während mein Vater auf mich zukam. „Grace, Süße! Wie geht es ihm?“
„Ach, nicht so gut, Dad. Er muss etwas gegessen haben, das er nicht vertragen hat.“
„Der Ärmste! Was für ein grässlicher Umstand, die Familie seiner Freundin kennenzulernen!“ Dad lehnte sich gegen die Wand. „Soll ich mal nachsehen gehen?“
„Nein! Nein, nein.“ Ich schob die Tür zur Herrentoilette ein Stückchen auf. „Liebling? Geht es dir besser?“
„Ohhhmmmm“, stöhnte Julian schwach.
„Ich bin hier, wenn du mich brauchst“, erwiderte ich und ließ die Tür wieder zufallen. „Dad, ich wünschte wirklich, ihr wärt nicht gekommen. Das ist …“, eine lächerliche Farce ,
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