Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Freiheit, die schnell näher kommt. Ich will sie mit beiden Händen aufstoßen, spüre aber einen scharfen Schmerz in den Handgelenken, als ich gegen das Türblatt pralle, das kein Stück weit nachgibt, sondern mich zurückschmettert auf den Boden. Meine Wange knallt auf das Holz, und als die fremde Gestalt auf mir landet, bleibt mir die Luft weg. Die Tür war nicht offen. Mein heroischer Lauf in die Freiheit ist zu Ende, bevor er richtig begonnen hat.
»Sind Sie allein? Sind Sie allein?« Er drückt mein Gesicht auf den Boden und zwingt meine Arme nach hinten. Das tut sehr weh, und würde mir nicht die Luft abgedrückt, würde ich lautstark protestieren. Doch ich kann gar nicht auf sein Kommando-Gebrüll reagieren, und was er sagt, ist sowieso nicht zu verstehen, denn sein krächzendes Funkgerät übertönt ihn. Ich spüre kaltes Metall an den Handgelenken. Er reißt mich auf die Seite und leuchtet mir mit seiner Taschenlampe voll in die Augen. Sein Gesicht habe ich immer noch nicht gesehen. »Ihren Namen!« Für eine Sekunde ist der Raum plötzlich in grelles Licht getaucht, und ich sehe eine Frau neben dem Mann stehen und zu mir herunterstarren, dann versinken wir alle wieder in Finsternis, bevor die Deckenleuchten schließlich richtig angehen. »Check die andere Seite!«, ruft er, als die Frau in Richtung Toiletten hastet. »Ich hab den blöden Lichtschalter nicht gefunden!« Er hievt sich auf die Knie, um beobachten zu können, wo die Frau hinläuft. »Affige Architekten!«, ergänzt er noch, bevor er sich wieder mir zuwendet. »Sie«, verkündet er schroff, »kriegen solchen Ärger.« Grob zieht er mich auf die Füße. Das ziept so an den Handgelenken, dass ich vor Schmerzen nach Luft schnappe. Ich bin es, die Handschellen trägt, nicht Paul. Es fehlt nicht viel, und ich nicke zustimmend. Ich habe solchen Ärger.
Sergeant Ian Mackenzie ist stocksauer. In Pauls Büro war er noch so voller Schwung, als hätte er in seiner Polizistenlaufbahn nie etwas anderes angestrebt: die Straßen sicher machen, Einbrecher erwischen und das Gesindel in seinem Streifenwagen zur Wache bringen. Aber vier Stunden später ist aus dem, was in seinen Augen als ein klarer Fall von Einbruch hätte angezeigt werden müssen, etwas ganz anderes geworden. Ein cleverer Anwalt dreht ihm das Wort im Munde herum, und ich höre diesem Anwalt zu und muss aufpassen, dass mir vor Staunen angesichts seines taktischen und rhetorischen Geschicks nicht die Kinnlade herunterklappt. Dieser Anwalt ist mein Schwager, John, und im Augenblick mein Retter. Als Mackenzie mir das Telefon gab, habe ich hilflos auf die zehn Ziffern gestarrt. Mir fielen nur zwei Nummern ein: die von meiner Mutter (sofort gestrichen) und Pauls. Trotz all meines Zorns auf ihn bin ich an ihn gebunden. Er klang überhaupt nicht schläfrig, als er sich meldete, und schien nicht sonderlich überrascht, als ich ihm sagte, dass ich festgenommen worden bin. Vielleicht kann ihn inzwischen nichts mehr überraschen. »Überlass das mir«, sagte er, als wäre ich eine Kundin mit einer Rückfrage wegen eines Schecks. Eine Dreiviertelstunde später tauchte John auf. Nachtarbeit steht ihm; er wirkt brillant, weniger grau als bei Tageslicht. Zum ersten Mal sehe ich eine Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Bruder: hohe Stirn und markantes Kinn. Gleichermaßen fasziniert starren Mackenzie und ich ihn an.
»Nur um das klarzustellen: Mrs. Forman hatte einen Schlüssel zu den Räumlichkeiten, und sie hat die Alarmanlage mit dem ihr bekannten Code deaktiviert«, sagt er und sieht erst Mackenzie und dann mich an, als wären wir geistig minderbemittelt. Ich senke den Blick und nicke. Mackenzie vergräbt ärgerlich die Hände in den Hosentaschen. »Ich kann keinen Beweis für einen Einbruch erkennen.«
»Es kam ein Anruf von …«
»Von wem?«
»Der Mann hat aufgelegt, bevor wir seine Identität feststellen konnten. Er sagte, da ist ein Raubüberfall im Gange.«
»Wir sind ja immer froh über wachsame Mitbürger, aber angesichts der Beweislage handelt es sich hier um eine Fehlinterpretation der Ereignisse.«
Mackenzie stöhnt. »Sie hatte eine Taschenlampe bei sich und hat sich unter einem Schreibtisch versteckt!«
»Wenn ich bedenke, dass da mitten in der Nacht jemand einfach in die Räume eingedrungen ist, wundert mich das gar nicht.«
Mackenzie schnaubt verächtlich.
»Hatte sie etwas bei sich, das in das Büro gehört?«
»Das entlastet sie nicht, das wissen Sie genau!«
»Was hat sie
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