Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
die sich einfach »Movimiento«, die Bewegung, nennt. Die meisten Mitglieder dieses Widerstandskreises kommen aus der unteren Mittelklasse oder sind Arbeiter. Da ist ein Uhrmacher, ein Schornsteinfeger, drei Weißbinder, ein Arzt, ein Zahnarzt, ein Buchhändler, ein Fleischer, ein Austernverkäufer, ein Krankenpfleger. Schwarze und Indianer sind vertreten. Einige sind Angestellte bei amerikanisch-kubanischen Firmen. Sie sind zu Castro gestoßen, weil sie ihn entweder lange kennen, über Freunde von ihm gehört haben oder selbst zuvor versuchten, kleinere Widerstandskreise zu organisieren, und nun einsehen, dass man sich zusammenschließen muss. Sie haben kein genau ausgearbeitetes politisches Programm. Nur in einem Punkt sind sie sich entschieden einig: Batista muss gestürzt werden. Angehörige der Kommunistischen Jugendorganisation sind in der »Bewegung« überhaupt nicht vertreten, während aus der Jugendgruppe der Ortodoxo-Partei, die bis zum Staatsstreich Batistas das Sammelbecken der liberalen, für den sozialen Fortschritt eintretenden Kräfte darstellte, einige junge Leute zu Fidel gestoßen sind.
Die Waffen, die die Gruppe braucht, hat Castro von Sympathisanten besorgt. Sein Vater hat ihm, statt der 3.000 Dollar, die Fidel von ihm forderte, nur 140 Dollar geschickt. Waffen aufzutreiben, ist in Kuba nie sehr schwierig gewesen, besonders, wenn man Bekannte an der Universität hat. Das Unternehmen, das Fidel plant, scheint wahnwitzig: Angriff auf zwei Kasernen in der Provinz Oriente: auf die Moncada-Kaserne in Santiago und auf die Kaserne von Bayamo.
Der Haupttrupp seiner Anhänger, 134 Mann, sind für den Einsatz in Santiago vorgesehen. 28 Männer sollen den Überfall in Bayamo durchführen. Die Rebellen wollen die Wachen am Eingang überrumpeln, die Kasernen besetzen, die dort lagernden Waffen an andere Freiwillige verteilen, die dann, wie Fidel erwartet, zu ihrer Unterstützung herbeieilen werden.
Danach könnte sich der Volksaufstand auf die gesamte Oriente-Provinz ausweiten, die als Ausgangsbasis zu einem Volkskrieg gegen das Regime Batista besonders geeignet erscheint.
Die Tat ist, ob Sieg oder Scheitern die Folge sein wird, als ein Fanal angelegt. Castro hat die Vorliebe seiner Landsleute für romantische Handlungen in Rechnung gestellt. Es ist eine Tat aus dem Geist Martís.
Das Datum des 26. Juli scheint insofern besonders günstig, als es mit dem Karneval von Santiago zusammenfällt. Die meisten Soldaten und Offiziere werden an den Tanzveranstaltungen am Abend des 25. Juli teilgenommen haben und gegen 5.30 Uhr, dem Zeitpunkt des Überfalls, kaum schon wieder voll aktionsfähig sein.
Als Basis der Rebellen dient eine Farm in der Nähe der Stadt. In Santiago selbst sind mehrere Zimmer gemietet worden.
Die Chancen für den Erfolg stehen und fallen damit, ob der Überraschungseffekt gelingt oder nicht. Die Kasernen sind mit 1.000 Soldaten belegt. Die Rebellen werden sich also einer zehnfachen Übermacht gegenübersehen. Sie hoffen auf die Verwirrung in den Reihen der Armee und auf ihre eigene überlegene Moral.
Als Waffen stehen ihnen nur drei amerikanische Armee-Gewehre, sechs Winchester-Flinten, ein altes Maschinengewehr und eine größere Anzahl von Jagdbüchsen zur Verfügung.
Neun Mitverschwörer fallen in letzter Minute aus. Sie haben Angst bekommen. Andere Mitglieder der Gruppe besuchen am Abend des Vortags das Gnadenbild der Virgen del Cobre. Nur sechs unter den Verschwörern wissen überhaupt genau, was in dieser Nacht geschehen wird. Ein Mann nimmt an, es gehe, als Belohnung für ein erfolgreich abgeschlossenes Übungsschießen, auf eine Tanzveranstaltung beim Karneval. Auf der Farm in Siboney warten zwei Frauen, Melba Hernandez und Haydee Santamarin, die mit zwei der Rebellen verlobt sind.
Wer zu den Eingeweihten gehört, sieht wohl klar voraus, dass die Chancen, mit dem Leben davonzukommen, gering sind. Dr. Muñoz, der Arzt, macht Fidel Vorwürfe, dass er die Männer in ein solches selbstmörderisches Unternehmen führe.
Gegen fünf Uhr am Morgen sind 111 Männer (alle tragen Uniformen von Sergeanten der Armee) auf mehrere Fahrzeuge verteilt von Siboney unterwegs nach Santiago. Castro sitzt in dem zweiten Wagen. In dem folgenden Auto fährt Raúl, sein Bruder, der mit zehn Mann den Justizpalast besetzen soll, von dem aus man ein ausgezeichnetes Schussfeld auf den Innenhof der Moncada-Kaserne hat.
Dr. Muñoz und die beiden Frauen, die mit dabei sind, haben den Auftrag, die
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