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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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war eine Zeit des vollkommenen Vertrauens, das Du war lebensnotwendig bei diesen Verzweiflungsberichten, eine tröstende Geste, ein Nicken des Verstehens, dem anderen behutsam die Tränen wegwischen. Und immer wieder Umarmungen, als wollten wir uns beweisen, dass die Liebe das alles überwinden kann. Obwohl wir ahnten, dass diese Liebe nur schwer lebbar sein würde, stürzten wir uns in sie. »Der Tod ist unaufhaltsam, doch die Liebe ist stärker, prägt sich ein den Orten, an denen sie gelebt wurde, den Zeiten, zu denen sie stattfand, bleibt als Quintessenz allen Strebens, allen Lebens, allen Leidens«, das würde Stockhausen mir später in einem Brief schreiben.
    Unsere Leidenschaft wurde allmählich weniger wild, milder, stiller. Am siebten Tag lagen wir nur noch schweigend beieinander. Und dann holte uns die Realität ein. Karlheinz sollte am übernächsten Tag Doris und seinen Kindern in den Urlaub nach Bayern nachreisen. »Wie sagen wir es deiner Frau?«, fragte ich vorsichtig. »Um Gottes willen, nein« war seine Reaktion. Dann noch eine Welle des Erzählens. Sein Unglück in der Gegenwart: Doris habe sich ganz auf die Kinder konzentriert, für ihn war keine Energie mehr übrig. So gern ich ihm glauben wollte, sosehr es zumindest ein wenig das schlechte Gewissen Doris gegenüber beschwichtigte, als so unmöglich und unwürdig empfand ich es doch, sie zu belügen.
    Und dann brach eine weitere Geschichte aus ihm heraus. Es ging um seinen besten Freund und dessen Frau. Welches Unglück hatte Karlheinz’ Liebe zu ihr über diese Familie gebracht! Als sie sich beide entschlossen hatten, diese ihre Liebe zu leben, und mit gepacktem Auto und zwei Abschiedsbriefen an die Ehepartner und Kinder bereitstanden zu dieser Flucht aus ihren Bindungen, hatte sie gesagt: »Karlheinz, es geht nicht. Wir können nicht zwei Familien ins Unglück stürzen.« Danach waren beide todunglücklich. Er arbeitete an den Kontakten . Alles Unglück, alle Gefühle und Konflikte lösen sich dort musikalisch auf, alles findet sich ein zur Stille, alles Getöse wird überführt in Klangflächen. Aber die Frau seines Freundes hatte kein Werk, in das sie ihr Leid, ihren Verzicht hätte hineinarbeiten können. Sie litt schlaflose Nächte. Dann starb völlig unerwartet ihre älteste Tochter mit neun Jahren; das empfand sie als Strafe Gottes für ihre Untreue. An diesem Familiendrama fühlte sich Karlheinz mitschuldig.
    Auch das musste er noch erzählen, bevor er einsah und mir recht gab, dass wir Doris einweihen mussten. Wir durften sie nicht heimlich hintergehen. Stockhausen bat mich aber darum, den Zeitpunkt des Geständnisses ihm zu überlassen, er wolle behutsam vorgehen. Schließlich sei Doris ja wieder schwanger.
    Was auch immer Karlheinz vorhaben würde, ich entschloss mich zu einem Brief an Benno. Ich teilte ihm mit, dass für mich die Trennung von ihm endgültig sei, dass ich ihm in Paris Glück wünsche für seinen Neuanfang, dass ich weiter seine Bilder für ihn verkaufen und ihm das Geld überweisen, aber dass ich ihm zunächst nicht mehr schreiben würde. Ich brauchte eine Zeit für mich allein. Der Brief erleichterte mich. Ich verließ das Zimmer unserer sieben Tage, fuhr mit der Straßenbahn zurück in die Altstadt und besuchte abends ein Konzert in der Kölner Musikhochschule – Christoph Caskel spielte Stockhausens Zyklus .

3
Haupt- und Nebenwege*
    * Die Überschrift dieses Kapitels zitiert ein Werk von Paul Klee, das Stockhausen und mir immer viel bedeutet hat. Es hing im Kölner Wallraf-Richartz-Museum und zeigte in einem rechteckigen Hochformat Stufungen von zarten Farblasuren, zentralperspektivisch angelegt, horizontal gestaffelt, mit klarer Symmetrie und einer sehr harmonischen Ausstrahlung.
    Ich hatte mit Stockhausen verabredet, dass wir uns nach dem Konzert in Köln am Bahnhof treffen würden. Ich wollte zu meiner Mutter nach München fahren, er von München aus weiter zu Doris und seinen Kindern ins oberbayerische Urlaubsdomizil. Als ich am Bahnhof ankam, war Karlheinz noch nicht da, unser Zug fuhr auch erst in einer Stunde. Und während ich wartete, sah ich aus dem Augenwinkel plötzlich Benno dastehen, kreidebleich. Oh weh, so sah er immer kurz vor den schrecklichsten Wutattacken aus. Was sollte ich tun? Zunächst einmal Zeit gewinnen. Ich verließ also den Bahnhof wieder, und tat so, als wäre ich gerade mit dem Zug angekommen. Benno stürzte davon. Er dachte vermutlich, ich sei auf dem Weg nach Hause in die

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