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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Lintgasse.
    Draußen ging nun Stockhausen vorbei. Ich folgte ihm, und da ich nicht wusste, ob Benno mich beobachtete, sagte ich leise: »Karlheinz, nicht umdrehen, Benno ist hier. Lass uns erst auf dem Bahnsteig zusammentreffen.« Als der Zug endlich kam und wir im Abteil saßen, konnte ich ihm alles erzählen.
    Draußen tobte ein Schneesturm. Wir hatten nicht bemerken können, dass Benno auch in den Zug gestiegen war. Wie mir meine Nachbarin später erzählte, hatte er in der Lintgasse auf mich gewartet, und unglücklicherweise hatte sie ihm gesagt, dass ich unterwegs nach München sei. Er war zurück zum Bahnhof gelaufen und hatte den Zug noch erwischt. So saßen wir alle drei darin, ohne es zu wissen, denn Benno hatte uns nicht gefunden.
    Als Stockhausen an meiner Angst und Aufregung erkannte, dass meine Berichte von Bennos Wutausbrüchen sehr ernst zu nehmen waren, bekam er Atemnot. Er nannte es seine erste Herzattacke. Wir schliefen aber dann trotzdem ein wenig, wähnten wir uns doch zunächst in Sicherheit. Morgens in München angekommen, wollten wir in einem Café frühstücken. Aber noch auf dem Bahnsteig spürte ich, dass ich sofort verschwinden musste, und hastete davon. Ohne mich umzusehen, ohne Stockhausens Urlaubsadresse mitgenommen zu haben – nur fort.
    Ich lief zum Holzkirchner Flügelbahnhof, fünf Minuten entfernt, von dort fuhr der Zug nach Deisenhofen, wo meine Mutter wohnte. Da kam Benno. Diesmal nicht kreidebleich, sondern milde bittend. Ja, so kannte ich ihn auch. Er wollte mit mir nach Deisenhofen fahren, nur die halbe Stunde, er müsse mit mir reden. Als wir im Zug saßen, brach es aus ihm heraus: Er könne nicht ohne mich leben, er sei aus Paris zurückgekehrt. Ich sei sein ganzer Halt. Er habe ein Problem, er sei eigentlich homosexuell, und nur ich könne ihn heilen, auch von seiner Wut und Verzweiflung.
    Ich riet ihm, diese Neigung, wenn er sie wirklich habe, doch zu leben und nicht stattdessen mit einer Frau nach der anderen zu schlafen, nur um sich das Gegenteil zu beweisen. Ich fragte vorsichtig, ob seine Wutanfälle nicht auch von verdrängten Gefühlen herrührten, und schlug ihm vor, sich mit unserem Freund Heinz-Klaus Metzger zu beraten. Denn ich selbst wusste zu wenig über das Thema, um ihm raten zu können.
    Schließlich sagte ich: »Benno, bitte, ich muss jetzt allein sein, es hat sich in meinem Leben etwas ereignet, das nicht rückgängig zu machen ist.«
    »Ist es ein Mann?«
    Ich bejahte.
    »Ist es Karlheinz?«
    Ich bejahte wieder.
    Resigniert sagte er: »Ich ahnte es.«
    »Ich bin schwanger«, behauptete ich nun, obwohl ich das noch gar nicht hätte wissen können.
    Da bat er: »Lass uns das Kind gemeinsam großziehen, komm einfach zurück, bleib bei mir, verlass mich nicht.«
    Dieser eifersüchtige, cholerische Mensch war also auch zu einer großmütigen Geste fähig, zumindest in seinen Vorsätzen. Aber ich kannte ihn und wies ihn ab: »Nein, Benno, bitte, respektiere unsere Trennung.« Mir wäre es unmöglich gewesen, nochmals mit ihm zu leben. Allein oder mit Karlheinz, das waren meine Alternativen.
    Als wir in Deisenhofen ankamen, stieg Benno wie versprochen in den Zug zurück nach München ein, und wir verabschiedeten uns. Ich lief zwanzig Minuten durch den Schnee zum Haus meiner Mutter, erzählte ihr alles, und noch während ich ihr mein Herz ausschüttete, stand Benno vor der Tür. Diesmal wieder kreidebleich, besessen von Wut und Rachegefühlen. Offenbar war er an der nächsten Station wieder ausgestiegen und hatte den Gegenzug zurück nach Deisenhofen genommen. Ich flüsterte meiner Mutter zu: »Mama, bitte lass mich keinen Moment allein, Benno ist in diesem Zustand zum Mord fähig.«
    Sie war großartig. Meine Schwestern bewirteten Benno, Mutter redete mit ihm, erklärte ihm, dass man bei mir mit Gewalt nichts ausrichten könne, erzählte ihm von meinen Trotzphasen in der Kleinkindzeit, wo mich keiner unter dem Bett hervorlocken konnte. Ich käme immer zur Vernunft, aber nie unter Zwang. Sie schickte mich ins Bett, in ihr Bett. Benno durfte auf dem Sofa übernachten, und Mutter beschützte mich.
    Am nächsten Morgen brachen meine Schwestern zu Schule und Universität auf, meine Mutter zur Arbeit. Ich blieb mit Benno allein im Haus. Unter dem Vorwand, einen kleinen Spaziergang machen zu wollen, flüchtete ich regelrecht – nur weg von hier! Meine Schuhe waren eigentlich ungeeignet für den Schnee, der Mantel auch zu dünn, ich hatte nur zwanzig Mark in der

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