Ich, Heinrich VIII.
vor mir stehen und grinste absurd. Musste ich ein Schild malen und es vor seinen halb geschlossenen Augen hin und her schwenken? »Ich danke Euch für Eure Hilfe«, sagte ich. »Doch jetzt ruft uns die Pflicht in verschiedene Richtungen.«
Er verbeugte sich. »Fürwahr. Doch wir sehen uns wieder – am Nachmittag, zum ersten Tjost.«
Das Protokoll schrieb vor, dass ich ihn durch meine Privatgemächer geleitete. Widerwillig gesellte ich mich zu ihm, und zusammen verließen wir mein Schlafgemach, durchquerten die innere Kammer und gelangten in das große Privatgemach. Mindestens ein Dutzend Bedienstete sah uns erwartungsvoll entgegen.
»Bon jour«, sagte Franz und lüftete seine gefiederte Haube.
Das Gemach maß etwa zwanzig Fuß im Durchmesser. Wir hatten vielleicht die Hälfte hinter uns gebracht, als Franz unvermittelt stehen blieb. Er legte einen Finger an die Wange und hob die linke Braue. Dann riss er seine Kopfbedeckung herunter und schleuderte sie in die Ecke.
»Ringt mit mir, mein Bruder!«, rief er.
Ich war darauf nicht vorbereitet. Ehe ich auch nur meine Haltung ändern konnte, stürzte er sich auf mich, versetzte mir gegen alle Regeln einen Stoß und warf mich auf den Rücken.
Eine Reihe verblüffter Höflinge starrte mich in meiner Schmach an. Jetzt wusste ich, weshalb Franz so eng anliegende Kleider für mich ausgesucht hatte – sie behinderten mich höchst wirkungsvoll in meinen Bewegungen.
Er trat zurück, und ein heuchlerischer Ausdruck von Betroffenheit legte sich auf sein Gesicht. »O! O! Sacre bleu!« Und er gab eine Kette weiterer, ähnlich klingender französischer Schwachheiten von sich.
Aber er bot mir weder seine Hand noch half er mir beim Aufstehen. Stattdessen zog er sich in eine sichere Entfernung zurück und gab sich Mühe, überrascht auszusehen.
Ich kam wieder auf die Beine. »Ist es in Frankreich nicht üblich, einem Gegner Gelegenheit zu geben, sich auf einen Wettkampf vorzubereiten?«
»Man muss stets auf das Unerwartete gefasst sein, cher frère.« Er verdrehte die Augen zur bemalten Decke und hob die Schultern. »Das Leben warnt uns nur selten, wenn es sich anschickt, uns einen Schlag zu versetzen. Ich habe das Leben imitiert, nichts weiter.«
Ich streifte den hinderlichen Rock ab. Dann lass uns kämpfen, fern von den Augen der Öffentlichkeit und dem Protokoll zum Trotz, das solche Kämpfe zwischen Monarchen untersagt!
»So imitiert nun einen Athleten – wenn Ihr könnt! –, und lasst uns richtig ringen«, forderte ich ihn heraus.
Ich näherte mich ihm. Noch jetzt beben meine Muskeln, da ich diesen Augenblick in der Erinnerung durchlebe, und wieder spüre, wie sehr es mich danach verlangte, ihn zu packen.
»Ich wiederhole niemals einen Akt«, versetzte er obenhin und wich zurück. »Vor allem nicht, wenn er erfolgreich war.«
»Es ist Euch lieber, einen Fehler zweimal zu begehen?« Ich näherte mich weiter.
Er schaute zu Boden. »Wie schmutzig der Boden ist.« Er zog die Stirne kraus.
»Das ist französischer Schmutz«, sagte ich. »Es scheint, er liegt hier überall.«
»Wie schade, dass es Euch in meinem Reiche nicht gefällt. Und welch ein Glück, dass Ihr nie wieder einen Fuß auf seinen Boden setzen müsst. Das Schicksal ist gütig.«
»Welch ein Glück auch, dass wir ›Brüder‹ sind und dass Ihr Euch mit Euren falschen Titeln in vollkommener Sicherheit wiegen könnt.«
Wieder hob er diese Braue. »Es möchte sein, dass Edmund de la Poles jüngerer Bruder Richard die gleichen Worte zu Euch sagen würde.« Er lächelte. »Zum Glück sind solche Worte harmlos und erheiternd für uns beide.« Er verneigte sich wieder. »A bientôt, mon frère!«
De la Pole! Wie konnte er es wagen, den Namen dieses Verräters auszusprechen, der sogar jetzt noch irgendwo in Frankreich darauf lauerte, als »rechtmäßiger« König von England anerkannt zu werden? Und Franz beschützte ihn, behielt ihn in der Hinterhand!
Ich schleuderte den weinroten Samtrock weit in eine Ecke und das Wams hinterher (beides durch des Franzosen Tücke beschmutzt vom Staub des Bodens!).
»Gebt das einem französischen Bettler außerhalb des Bezirks!«, befahl ich einem Pagen. Als er sich zum Gehen wandte, fügte ich hinzu: »Seht zu, dass Ihr es dem kränksten Krüppel von allen schenkt.«
Franz lächelte bewundernd. »Wie es der Herr selbst getan hätte.« Sein Gang war noch beschwingter, als er hinausging.
Ein interessanter Gedanke. Was hätte Christus mit Franz getan? Mir schien, die
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