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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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hatte, ihn auszuführen?
    Er erschien pünktlich. Wie stets, war er makellos gekämmt und gekleidet und parfümiert. Bis er zu mir in mein innerstes Gemach vorgedrungen war, hatte er sich seiner allgegenwärtigen Diener, deren er ebenso viele hatte wie ich, entledigt und war allein.
    »Eure Majestät.« Er verbeugte sich tief, wie stets. Dann richtete er sich auf und harrte meiner Fragen – über Franz, über Karl, über den Papst.
    »Henry Percy …« begann ich und war plötzlich verlegen. Wolsey brauchte nicht zu wissen, wie wichtig es mir war. »Die unglückselige Affäre zwischen dem Sohn des Grafen von Northumberland und der Tochter des Viscount Rochford – ich hoffe, sie ist beendet. Ich hatte Euch beauftragt, dafür zu sorgen.«
    Er kam näher – überraschend flink für seine massige Gestalt – und winkte mich zu sich heran.
    »Ja. Es ist aus«, antwortete er vertraulich. »Es war allerdings ein ziemlich stürmisches Ende. Ich rief den jungen Percy zu mir und sagte ihm, wie unschicklich es sei, dass er sich mit einem törichten Mädchen wie der Mistress Boleyn eingelassen habe …«
    Inzwischen war er schwer atmend an meiner Seite angelangt. Zuckte ich etwa zusammen, als er Anne als »törichtes Mädchen« bezeichnete? Ich spürte, dass sein Blick auf mir lag.
    »… ohne dass ihr Vater seine Erlaubnis dazu gegeben habe. Ja, ich sagte« – und hier richtete er sich zu voller Höhe auf und blähte sich wie eine Schweinsblase –, »›ich weiß, Euer Vater wird höchst unwillig sein, denn er hat eine andere und sehr viel passendere Verlobung für Euch vorgesehen.‹ Da wurde der Knabe bleich und blickte hilflos um sich wie ein Kind … Eure Majestät, ist Euch nicht wohl?« In fürsorglicher Hast beugte er sich über mich, als ich mich, wenn auch zittrig, in den nächsten Sessel fallen ließ.
    »Doch«, erwiderte ich knapp. »Fahret fort.«
    »Ah. Ich musste ihn beschämen, ehe er sich einverstanden fand. Ihm drohen gar. Er behauptete, er und die Lady Boleyn wären – wie sagte er gleich? – ›in dieser Sache vor so vielen ehrbaren Zeugen so weit gegangen, dass ich nun nicht weiß, wie mich zurückziehen, ohne meinem Gewissen große Last aufzubürden‹. Also sagte ich …«
    Hatte er sie besessen? Wollte er dies damit sagen? Ich umklammerte die scharfkantigen Armlehnen, bis sich ein hölzerner Grat in meinen Finger zu schneiden drohte.
    »… Du wirst ja wohl wissen, dass der König und ich eine derart unbedeutende Angelegenheit werden zu bewältigen wissen. Wir, die wir mit dem Kaiser verhandelt und den Vertrag von …«
    »Ja, Wolsey. Wie ging es weiter?«
    Er machte ein enttäuschtes Gesicht, dass er sich einer weiteren Gelegenheit beraubt sah, seine diplomatischen Triumphe aufzuzählen. Aber ich konnte ihm befehlen, während der arme Percy gezwungen gewesen war, ihm zuzuhören. Einen Augenblick lang hatte ich Mitleid mit dem Jungen.
    »Er weinte. Er sagte, er liebe sie. Eine verdrießliche Angelegenheit, Eure Majestät. Er blieb entschlossen dabei, dass er das Mädchen liebe und dass er sie trotz allem heiraten werde. Ich sah mich gezwungen, nach seinem Vater zu schicken. Aha!« Er gluckste und rieb sich die Wange. »Das wirkte! Sein Vater kam von Northumberland herunter und züchtigte ihn in meiner Gegenwart. Ich entsinne mich nicht all seiner Worte, aber es lief darauf hinaus, dass er ihn zu enterben drohte, sollte er diese Mesalliance nicht aufgeben. Er nannte ihn einen ›stolzen, anmaßenden, hochnäsigen, lasterhaften Taugenichts‹, der sich ›vergeudet‹ habe … und so fort.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Sein Vater hat ihn aus meinem Dienst genommen.« Wolsey zuckte die Achseln, ging, ohne dass ich es ihm erlaubt hätte, quer durch das Zimmer und nahm sich eine von den Birnen, die sich in einer Silberschale türmten. Kauend wandte er sich wieder zu mir um und sah mich mit selbstzufriedenem Lächeln an. Birnensaft tropfte ihm rechts am Munde herunter.
    »Mistress Boleyn«, sagte er undeutlich, da er die überreife Birne zu schlürfen hatte, »war einigermaßen erzürnt, wie ich hörte. Sie gab mehrere unschickliche Wutanfälle zum Besten, nachdem Percy entfernt worden war. Ich befahl ihr daher, den Hof zu verlassen.« Zierlich legte er den entblößten Birnenstiel auf eine silberne Schale. »Ich habe sie heimgeschickt. Nach Hever.«
    Anne war fort! Anne war nicht mehr am Hofe!
    »Aha«, sagte ich.
    »Sie wünschte mir Böses«, erzählte Wolsey. »Sie verfluchte mich und erklärte,

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