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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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wenn es je in ihrer Macht stünde, werde sie sich an mir rächen.« Er lachte. »So ein Kind! Wenn es je in ihrer Macht stünde …« Besorgt brach er ab. »Eure Majestät? Findet Ihr es nicht erheiternd, dass ein solches Kind sagt …?«
    »Doch, doch!«, kläffte ich. »Sehr erheiternd!« Was für ein Weib war das? Denn ein Kind war sie nicht, das wusste ich. Ich stemmte mich aus meinem Sessel hoch. »Sehr erheiternd«, wiederholte ich; ich wusste nichts Besseres zu sagen. Plötzlich war es wichtig, dass Wolsey nichts wusste, nichts argwöhnte … »Ihr habt Eure Sache gut gemacht. Ich danke Euch. Und nun zu den Depeschen von den venezianischen Handelshäusern …«
    Als er fort war, ging ich im Zimmer auf und ab. Anne war in Hever. Hever lag im Jagdrevier, einen Tagesritt weit von London. Ich würde hinreiten. Morgen? Nein, ich brauchte mehr Zeit, um mich darauf vorzubereiten. Übermorgen also.
    Aus Ehrerbietung hatte Wolsey es unterlassen, mir etwas zu erzählen, was ich viel später erfahren sollte. Anne hatte nicht nur den Kardinal verflucht, sondern auch mich. Sie hasste uns beide gleichermaßen.

XXXIII
    W enn ich sonst auf die Jagd ging, nahm ich immer mehrere Bedienstete mit. Heute indessen beschloss ich, mich mit einem einzigen, mit William Compton, sowie einem Rossknecht für jeden von uns zu begnügen und auf das übliche Gefolge zu verzichten. So sehr war ich darum besorgt, alles wohl gerichtet zu sehen, dass ich den Ställen schon einen ganzen Tag im Voraus Bescheid geben ließ, welche Pferde und welche Ausrüstung ich wünschte.
    Lange vor dem Morgengrauen war ich wach. Ich lag im Bett, sah zu, wie der Himmel heller wurde, und dankte Gott, dass es ein klarer Tag werden würde. Als ich so dalag, hatte ich nur einen bewussten Gedanken: Heute sehe ich sie. Heute spreche ich mit ihr. Heute hole ich sie an den Hof.
    Ich legte mir meine Worte nicht zurecht, und ich übte sie nicht. Ich hatte immer schon die Gabe besessen, zu wissen, was ich sagen sollte, wenn der Augenblick kam, und wahrscheinlich wäre eine eingeübte Rede durchaus unangemessen gewesen. Ich konnte mir vorstellen, welches Gesicht sie machen würde, wenn ich ihr sagte, sie solle an den Hof zurückkehren. Wie glücklich sie sein würde! Und dann, wenn sie erst hier wäre, würde sie meine Mätresse werden. Mir vorzustellen, wie sich das schwarze Haar rings um ihren Kopf auf einem Kissen ausbreitete, zu wissen, dass ich mein Gesicht darin vergraben könnte … Heilige Mutter Gottes, wollte die Stunde des Aufstehens denn überhaupt nicht kommen? Ich wagte nicht, aufzustehen, aus Angst, ich könnte Henry Norris wecken, den Diener, der auf einer Matratze am Fußende meines Bettes schlummerte. Ich war ein Gefangener in meinem eigenen Bett.
    Endlich regte sich draußen etwas. Die Kammerdiener kamen herein, um das Feuer anzuzünden, wie sie es immer um sechs Uhr taten. Dann erschienen die Gewandknappen und legten mir meine gut gewärmten Kleider für den Tag zurecht. Norris rührte sich auf seinem Lager und taumelte verschlafen zur Tür. Der Tag hatte begonnen.
    Um acht hatte ich gefrühstückt und saß im Sattel, begleitet von Compton und zwei Knechten. Aber es würde Mittag werden, ehe wir Hever erreichten. Und unterwegs musste ich anhalten und so tun, als wollte ich jagen, was eine weitere Verzögerung mit sich bringen würde.
    Es war Juli, aber der Tag versprach verhältnismäßig kühl und klar zu werden. Am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen. Ein sanfter Wind wellte das hohe Gras und ließ die Blätter an den großen Eichen zittern.
    Wie grün es war! Die überreichlichen Regenfälle der letzten zwei Wochen hatten alles, was wuchs, erfrischt und erquickt und uns einen zweiten Frühling beschert.
    Endlich stand ich auf der Anhöhe oberhalb der Burg Hever und schaute darauf hinunter. Man sagte Burg, aber es war keine, sondern nur ein befestigtes Herrenhaus, und ein kleines dazu. Es war von einem zehn Fuß breiten Wassergraben umgeben, den ein rinnender Bach speiste, funkelnd im Sonnenschein. Ich sah nirgends einen Menschen. Waren sie etwa nicht da? Ich betete, es möge nicht so sein. Aber je näher ich dem Herrenhause kam, desto mutloser wurde ich. Es sah verlassen aus. Ich hatte den ganzen Weg hierher umsonst gemacht. Aber hätte ich meine Besuchsabsicht vorher kundgetan, dann hätte man sich darauf vorbereitet, mich zu bewirten, ein Bankett und allerlei Formalitäten, die ich doch zu vermeiden wünschte, wären die Folge gewesen.
    Die

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