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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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samtgekleideten Hofdamen, Kutschen mit den Damen des Adels, ihren Kammerfrauen und schließlich der königlichen Garde –, begann das Volk spontan zu jubeln. Die Beleidigung hätte größer nicht sein können.
    Ich sah, dass Cromwell neben mir mich mit ausdruckslosem Blick beobachtete. »Schade«, sagte er, und ich erkannte, dass es für ihn nur ein weiteres politisches Faktum war, welches unseren Zwecken, so gut es ging, dienstbar gemacht werden musste. »Noch etwas Scherbet?«
    Anne zitterte vor Wut, als ich an diesem Abend im Westminster Palace zu ihr kam. »Die Menge war stumm! Ich kann froh sein, dass das Volk mich nicht angespuckt hat, und die deutschen Kaufleute der hanseatischen Liga – oh, sie glauben, der Kaiser werde sie schützen, genau wie Katharina dies glaubt, die das Volk mit dem Geld ihres Neffen bestochen hat, aber –«
    »Nie hast du Juno mehr geglichen«, stellte ich fest. »Aber was war mit den deutschen Kaufleuten?« Niemand hatte gewagt, mir von deren Übeltat zu berichten.
    »Dort, wo Cheapside auf Ludgate Hill stößt, an der größten Straßenkreuzung Londons, haben sie ihren ›Tribut‹ an mich errichtet – einen Triumphbogen mit lauter Fenstern und Pilastern und Springbrunnen, und mit Pfeilern zu beiden Seiten, die unsere Wappen tragen …«
    »Und? Das klingt hübsch.«
    »Und über dem ganzen hockt mit gespreizten Schwingen, neun Fuß in der Breite – der kaiserliche Adler, und er trägt Karls Züge! Und mit den Klauen greift er nach unseren Kronen. Oh, die Botschaft war deutlich – sehr deutlich!«
    Ich spürte, wie heißer Zorn mich durchrieselte und dabei eisig kalt wurde. »So.« Mehr sagte ich nicht.
    Anne ließ sich auf einen Stuhl fallen, und die Juno verwandelte sich in ein sehr menschliches Weib, das eine erschöpfende Strapaze hinter sich gebracht hatte. Ganz abgesehen von den emotionalen Färbungen war der Tag körperlich zermürbend gewesen, zumal für eine Schwangere.
    Ich kniete vor ihr nieder. »Dumme, boshafte Leute haben sich eine verletzende Geste erlaubt. Sie ist so hohl wie das Papiermaché, aus dem der Adler gemacht ist. Ich bitte dich, lass dich davon nicht berühren. Es wirft ein Licht auf sie, nicht auf dich.« Sie sah so müde und zerbrechlich aus; die Erschöpfung zeigte sich in jedem Muskel. »Beim Blute Gottes! Müssen sie ihren Hass an einem wehrlosen Weibe auslassen?«
    Sie streckte die Hand aus und strich mir mit dem Finger übers Gesicht. »Nun«, sagte sie, »es ist geschehen. Sie können mir nichts mehr anhaben.«
    Das stimmte. Sie und Katharinas Parteigänger hatten ihr Ärgstes nicht unversucht gelassen, und der Tag war vorüber, ohne dass sich ein ernsthaftes Missgeschick ereignet hätte. »Möchtest du ein wenig Scherbet?«
    Als Cromwells exotische Delikatesse serviert wurde, jauchzte sie wie ein Kind und gab mir das Gefühl, ich hätte ihr alle Juwelen Indiens zum Geschenk gemacht. Das war immer ihre magische Begabung: Sie konnte mir dieses Gefühl geben, wann immer es ihr beliebte.
    Die großen Glocken der Abtei schlugen zehn, als sie das Scherbet verzehrt hatte und die Schale beiseite stellte. Sie zappelte, lächelte, suchte ihre Nervosität zu verbergen. In dieser Nacht würde sie keinen Schlaf finden, das sah ich. Also musste ich ihr helfen.
    »Du musst ausruhen. Für die Krönung morgen.«
    »Ich kann nicht.« Sie seufzte und trommelte mit den Fingerspitzen auf der Armlehne des Sessels, dass es klang, wie wenn Sommerregen auf ein Zeltdach prasselt.
    »Nimm einen Sirup. Die Mönche wissen einen besonderen Sirup zu machen, der beruhigt und sicheren Schlaf bringt. Es gibt Zeiten, da man sich nicht leisten kann, rastlos und müde zu sein.«
    »Einen Schlaftrank?« Erstaunt sah sie mich an. »Du nimmst solche Tränke?«
    »Sie können gut sein, wenn man sie zu einem guten Zweck benutzt.«
    »Ja … es gibt solche Tränke … Tränke, die ich benutzt habe …«
    »Um deine Haut zu verschönern!« Wie schnell ich mit einer harmlosen Erklärung für ihr Geständnis bei der Hand war.
    »Aye. Für meine Haut, natürlich … und gegen weibliche Beschwerden an gewissen Tagen … Ja, dies ist ein guter Grund. Der Vorabend meiner Krönung …«
    »Damit du schöner bist. Damit du dich immer daran erinnerst, wie das Öl auf deiner Stirn sich anfühlte und wie du zum ersten Mal das Gewicht der Krone spürtest, als sie dir aufs Haupt gesetzt wurde.«
    »Erinnerst du dich daran noch?« Ihre Stimme war leise geworden.
    »Ja. Ich erinnere mich an jedes

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