Ich, Heinrich VIII.
war größer als die des Windes in meinem Gesicht. Es gab nichts in weiter Runde – kein Dorf, kein Schloss, nicht einmal eine Bauernkate. Die weiten, offenen Ebenen, die wir seit dem Mittag durchzogen, die kahlen Felder, die nackt unter dem Himmel lagen, hatten mich mit Hochgefühl erfüllt; jetzt aber kamen sie mir bedrohlicher vor als jede feindliche Festung.
»Wie weit noch bis Thaningsford?«, rief ich; und mit erhobener Hand bedeutete ich meinen Leuten, anzuhalten. Ich gab meiner Stimme einen fröhlichen Klang.
»Zwei Stunden zu reiten«, antwortete Brereton. »Ich weiß das; mein Vater hatte Pächter …«
»Im Norden liegt ein Dörfchen; es hat etwas wie ›Grange‹ in seinem Namen«, meldete Carew. »Ich glaube, bis dorthin ist es nicht gar so weit.«
»Wisst Ihr denn genau, wo es liegt?«, rief ich zurück. Jetzt war keine Zeit für seine Tölpeleien; in Einzelheiten war er immer schon nachlässig gewesen.
»Ja … nein …« Der Wind riss ihm die Mütze vom Kopf, und er fing sie noch aus der Luft. »Ich glaube …«
Offensichtlich wusste er es also nicht. Ich sah mich unter den anderen um. Chapuys saß im Sattel und musterte mich verärgert; die anderen machten ausdruckslose Mienen, als erwarteten sie, dass ich aus dem Handgelenk einen Unterschlupf herbeizauberte.
Ich wies auf das heraufziehende Unwetter. »Wir können entweder in scharfem Galopp nach Norden oder Süden reiten und hoffen, dass wir dem Sturm ausweichen, oder wir können die Zeit nutzen, um uns hier einen Wetterschutz zu errichten.«
»Nach Süden können wir nicht; da liegt der Fluss, und wir können nicht sicher sein, dass er zugefroren ist und wir darüber hinwegreiten können«, gab Boleyn zu bedenken.
Ein klarer Kopf. Ein vernünftiger Einwand. Er gefiel mir immer besser.
»Vor uns liegt nichts als freies Feld; es reicht mindestens bis Edwardswold. Aber eine halbe Stunde weit im Norden gibt es einen Wald«, sagte Will.
Meine Gedanken machten einen Satz. Ein geschütztes Gelände, und dann eine halbe Stunde Zeit, um irgendeine Art von Unterstand zu bauen. Ja, das konnten wir schaffen.
»Nach Norden also!« Ich musste brüllen, um den anschwellenden Wind zu übertönen. Ich riss mein Pferd herum und winkte ihnen, mir zu folgen.
Sie mussten. Was immer ich befahl, sie mussten gehorchen. Ich betete, dass ich sie in Sicherheit führen möchte. Aber als ich die Richtung änderte und der Wind mich seitlich packte, hatte ich das Gefühl, auf dem falschen Weg zu sein, irregeleitet. Alle meine Instinkte schrien: Nicht hier entlang. Flieh vor dem Wind her, nicht quer hindurch. Suche einen fertigen Unterstand. Was kannst du schon in einer halben Stunde bauen, das dir vor diesem Unwetter angemessenen Schutz bieten könntet? Aber ich ignorierte die Stimme. Die Logik befahl mir, auf diesem Wege weiterzureiten.
Der Wind ließ meinen Mantel flattern wie ein wollenes Segel, das wirbelnd hinter mir wehte. Ich fühlte mich nackt, so mühelos drangen Sturm und Kälte bis zu meiner bloßen Haut.
Ich vergrub mich in der Mähne meines Hengstes und suchte dort Wärme. Aber sein Fleisch war kalt unter dem Fell, und der Schweißschaum gefror in kleinen Klümpchen am Halse. Ich spürte das rhythmische Schwellen seiner Muskeln, als er dahingaloppierte; aber er kam jetzt langsamer voran, denn der Wind drückte hart gegen seine linke Flanke. Mein linkes Bein war völlig taub, und die Kälte schien an meinen Kräften zu zehren und all mein Blut in irgendeinem verborgenen Kern zu sammeln. Ich warf einen Blick hinter mich und sah, wie die anderen sich voranmühten. Die Wolkenbank war sichtlich näher gerückt, und der versprochene Wald war nirgends zu erblicken. Wo war er? Hatte Will sich geirrt? Aber er war sich doch sonst in allem so sicher.
Die ersten stechenden Schneeflocken trafen mich am Hals. Gott, wie kalt mir war. Plötzlich schüttelte mein Pferd fragend den Kopf, schwenkte nach rechts und brach über eine Lehmböschung hinunter auf ein freies Feld.
Meine Hände waren kraftlos, die Finger so taub, dass sie nicht mehr zu meinem Körper zu gehören schienen. Ich konnte die Zügel nicht mehr halten. Kalt, kalt, kalt – ich konnte an nichts anderes mehr denken; die Kälte vertrieb jeden anderen Gedanken aus meinem Kopf. Ich musste dieser Kälte entrinnen, ich musste.
Da … weit vor uns, leicht fünf bis sieben Meilen weit vor uns … ein schwarzer Strich, irgendetwas. Was immer es war, es würde die Wucht des Windes brechen. Ich stieß meinem
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