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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Göttin des Eistodes mich nicht in ihre Klauen bekam … Ich konnte nicht mehr als zehn Schritte weit sehen, und ich konnte nur noch hoffen, dass meine Leute nicht voneinander getrennt worden waren. »Zusammenbleiben! Ein jeder halte sich dicht hinter dem anderen!«, schrie ich.
    Ein Felsengrat vor uns – seine Flanke starrte von scharfkantigen Steinen. Wir standen vor einer Barriere, die wir nicht überwinden konnten. Hatte Gott uns hierher geführt, um uns dem Tode zu überantworten?
    Dann sah ich es: Schemenhaft nur – einen Spalt, eine dunkle Öffnung, einen Riss in der Felswand. Vielleicht konnten wir uns dort hineinzwängen und zusammenkauern? Eine Hand vor mir ausgestreckt, stolperte ich vorwärts, tastete ich mich weiter. Die rauen Felsen schnitten sich in meine Hände, aber die waren so taub, dass ich nichts mehr spürte, und überrascht sah ich die Blutspritzer auf dem Gestein. Plötzlich fuhr mein Arm in dunkle Leere. Ich schob den anderen hinterdrein, bis an die Schultern, aber ich ertastete nur immer mehr leeren Raum. Eine Höhle.
    Wie weit reichte sie nach hinten? Ihr Eingang gähnte ein Stück weit neben mir, und er war breit – etwa zehn Fuß breit. »Eine Höhle!«, brüllte ich. »Eine Höhle!«
    »Halloooo!«, kam die Antwort, und Gestalten lösten sich aus dem weißen Wirbel und taumelten auf mich zu. Ich ließ mich zu Boden sinken und kroch schwerfällig über den Höhlenboden, um die rückwärtige Wand zu finden. Als ich sie nicht fand, winkte ich den anderen, mir hereinzufolgen.
    »Ich kann stehen!«, schrie Cromwell; er schob die Füße über den Boden, tastend mit jedem Schritt. Ich richtete mich auf und erwartete, mir den Kopf zu stoßen, doch nichts geschah. Ich streckte die Hände in die Höhe und stieß noch immer nicht an die Felsendecke. Aber ich ertastete einige weiche, seidige Rundungen, die raschelten und sich wieder beruhigten.
    »Eine Kammer mit Fledermäusen als Zofen«, stellte ich fest. »Lasst uns ein Feuer machen, und zwar schnell.«
    Binnen kurzem hatten die Männer einen großen Stapel Holz sowie mehrere Armladungen trockenes Laub und abgestorbenes Zweigwerk hereingeschafft. Will schlug seinen Feuerstahl, und Funken sprühten auf den kalten, störrischen Zunder. Eine gute Viertelstunde verging, ehe ein freundliches Blatt zu glimmen begann, und noch einmal so lange, bis seine Nachbarn Feuer fingen. Hier drinnen war die Kälte noch durchdringender als draußen. Ich hatte das Gefühl, die Höhle würde der Kälte noch am Mittsommertag eine Heimstatt geben, würde sie im Laufe der Jahre anhäufen wie ein Geizkragen sein Gold.
    Aber jetzt gerieten auch die dickeren Äste in Brand und verströmten dicke Wolken von übel riechendem Rauch. Keuchend drängten die Männer sich zusammen. Aber die Wärme war so schwach, dass ich fast nichts davon spürte. Heftig rieb ich mir die Hände in der Hoffnung, sie wieder zum Leben zu erwecken. Sie fühlten sich an wie zwei Klötze aus Holz – Holz, aus dem das Blut tropfte.
    »Mut!«, sagte ich. »Lange wird es nicht mehr dauern.«
    »›Ja, Kameraden, nun haben wir am Anfang wohl zu leiden gehabt, doch jetzt verspricht sich unser Geschick zu bessern, so Gott will‹«, murmelte Neville.
    Das waren meine eigenen Worte; ich hatte sie in jener ersten jämmerlichen Nacht im Feldlager in Frankreich gesprochen, im Jahre 1513. Wie hatte er sie so lange im Kopf behalten können? Ich war gerührt. Aber als ich ihn ansah, entdeckte ich in seinem Gesicht nur mürrisches Unbehagen. Vielleicht war das alles, was ihm von diesem Frankreich-Feldzug im Gedächtnis geblieben war – Kälte und Unbehagen. Es schmerzte mich, zu denken, dass meine Waffengefährten unsere gemeinsamen Erlebnisse nicht als kostbare Erinnerungen bewahrten – die hehren Kriegserlebnisse unserer Jugend zumal. »Ah, das war eine herrliche Nacht!«, sagte ich.
    »Im französischen Morast?«, fragte Carew verachtungsvoll. »Da war es fast so erbärmlich wie hier in dieser Kälte.«
    »Der Feldzug gegen Frankreich war gesegnet«, beharrte ich. »Ich wünschte nur, Ihr anderen hättet auch dabei sein können.«
    »Ich war ja kaum auf der Welt«, sagte George Boleyn. »Mein Vater war bei Euch.«
    »Der meine auch«, ergänzte William Brereton und schob den Mantel herunter, den er sich bis an die Augen vor das rundliche Lämmergesicht gezogen hatte.
    »Mein Vater machte mich in der Nacht, bevor er mit Thomas Howard und seinen Rittern gen Frankreich segelte«, berichtete Francis Weston,

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