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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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als zitiere er ein biblisches Wunder.
    »Ich bin erst lange danach geboren«, sagte Henry Howard, der Sohn eben jenes Thomas Howard, des Herzogs von Norfolk. Er trug seine Jugend stolz wie ein Wappen.
    Cromwell, gedrungen wie ein Bär, blieb stumm.
    »Und wo wart Ihr 1513, Crum?«
    »Ich war in Italien, Euer Gnaden.«
    »Um die Künste zu studieren?«, fragte George Boleyn.
    »Ja. Um die Künste zu studieren«, sagte Cromwell.
    Das Feuer knisterte halbherzig, und wir rückten näher heran. Wollte es denn nie auflodern?
    »Es braucht mehr Luft«, erklärte Cromwell. »Wir müssen uns ein wenig zurückziehen – wie bei einem Sterbenden.«
    »Zum Teufel damit!«, heulte Brereton. »Mir ist kalt!«
    »Hört auf zu jammern«, versetzte Cromwell. »Mit Jammern hat noch niemand etwas gewonnen, nicht einmal bei einem taubstummen Feuer.«
    Auch ich hätte das Feuer zu gern getreten und beschimpft. »Jemand wird noch mehr Holz sammeln müssen, damit es bereitliegt, wenn es gebraucht wird«, befand ich und gab mich zuversichtlich.
    Jeder blickte starr ins Feuer, als könne er sich damit unsichtbar machen und so der Verpflichtung entrinnen.
    »Lord Rochford!« Ich redete George Boleyn förmlich an. »Schafft herbei, so viel Ihr könnt, und wenn Ihr müde seid, soll Sir Weston an Eurer statt weitermachen. Und dann Sir Brereton. Wir sollten so viel aufhäufen, dass es mindestens für die Nacht reicht.« Es war klar, dass wir uns nicht vom Fleck rühren konnten, ehe das Unwetter sich verzogen hatte – und wer wusste, wann das sein würde?
    Die anderen, für den Augenblick von der verhassten Aufgabe des Holzsammelns verschont, wandten sich erleichtert dem glimmenden Feuer zu. Carew ließ sich auf die Knie fallen und fing an, hineinzupusten, sodass es hitzig erglühte. Aufgeregt blies er kräftiger, und plötzlich brach er zusammen und wäre beinahe kopfüber in die Glut gekippt.
    »Zieht ihn weg!« Neville stürzte herbei, noch ehe er zu Ende gesprochen hatte, und zerrte den Zuckenden und Stöhnenden vom Feuer weg.
    »Meine Brust … ich kann nicht atmen …«, jammerte Carew, und seine Finger krallten sich in seine Brust. Sein Gesicht war leichenfahl.
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Ich wusste wenig von Medizin; ich kannte ja nur die launischen Schmerzen meines Schenkelgeschwürs.
    Cromwell kauerte neben ihm, beugte sich über ihn, nickte wissend. »Hat jemand hier ein schmerzlinderndes Mittel?«, fragte er.
    Ich hatte eines, verborgen in meiner Satteltasche, aber es war dazu da, mein Bein zu behandeln. Manchmal waren die Schmerzen so stark … Aber wenn ich offenbarte, dass ich es bei mir hatte, würde ich damit nicht Anlass zu Spekulationen über den Grund dafür geben? Es war außerdem mit sauberen Verbänden und Salbe zusammen verpackt. Wie sollte ich das alles verbergen?
    »Uhhh –…«, stöhnte Carew; es klang, als liege er im Sterben.
    »Hat denn niemand eine Arznei?«, wollte Cromwell wissen.
    Einer nach dem anderen schüttelte den Kopf. Verstohlenes Bindenwechseln, verborgene Geschwüre – dergleichen war ihnen unbekannt.
    »Ich habe etwas«, bekannte ich schließlich.
    Die Pille – aus gemahlenem Mohnpulver gedreht – hatte eine fast erschreckende Wirkung auf Carew. Sein Atem ging flacher und weniger mühsam, und er hörte auf, die Hände in die Brust zu krallen. Allmählich kehrte die Farbe in seine Wangen zurück. Dann schlief er ein wie ein Kind.
    Cromwell nickte. »Ja, das hatte ich erwartet. Ich denke, fortan sollte er keinen Schritt tun, ohne einen Vorrat davon bei sich zu tragen.« Er hielt die Phiole mit den Pillen in die Höhe.
    Aber er würde doch gewiss nicht noch mehr davon brauchen! Diese zehn waren alles, was ich bei mir hatte – und wenn mich nun wieder dieser quälende Schmerz im Bein überkam? Hätte ich dann nichts, um ihn zu betäuben, würde ich mich und meine Schwäche womöglich verraten. So nahm ich Cromwell die Pillen aus der Hand – beiläufig, wie ich glaubte. »Was fehlt ihm denn?«, fragte ich.
    »Er hat ein krankes Herz. Solche ›Attacken‹ werden ihm von nun an drohen, wenn er sich Anstrengungen unterzieht.«
    »Anstrengungen? Ins Feuer zu blasen, ist eine Anstrengung?«, fragte Neville herausfordernd.
    »In seinem Alter ja. Nach dem mühevollen Ritt …«
    »Unfug!«, bellte Neville. »Alter … Anstrengung …« Carew und er waren gleichaltrig. »Lächerlich!«
    Das vernachlässigte Feuer loderte plötzlich hell auf, wie ein trotziges Kind. Erleichtert wandte ich mich ihm

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