Ich, Heinrich VIII.
und zu meinen eingeschränkten Tätigkeiten sagte man, ich »widme mich persönlichen Angelegenheiten«. Mein Bein verkrustete; offenbar hatte der Schreck des Sturzes zur Rückbildung des Geschwürs geführt. Aber mit meinen Sinnen stimmte etwas nicht. Ich fühlte mich benommen, und ich vergaß immer wieder, weshalb ich in ein Zimmer gegangen war.
Es war Dr. Butts, der mir die Nachricht brachte: »Die Königin ist vor der Zeit zu Bett gebracht worden. Sie verlangt nach Euch.«
Vor der Zeit … ja, es war noch Monate vor ihrer Zeit. Ein Kind konnte nicht überleben, wenn es so früh geboren wurde. Das Kind war verloren, der Sohn, der ihre Rettung hatte sein sollen.
»Sie verlangt nach mir?«
»In der Tat. Die Hebammen sagen, sie wehrt sich mit aller Kraft gegen die Entbindung, da sie Euch fürchte. Aber was tot ist oder nicht lebensfähig, muss ihren Leib verlassen. Sie sträubt sich aus Eigensinn. Bitte, Eure Majestät, kommt und beruhigt sie.«
Ich warf meine Pelze über. Es war ein weiter Weg bis zu den Gemächern der Königin hier zu Greenwich, und seit meinem Sturz fror ich unaufhörlich. Es war immer noch Januar. Der neunundzwanzigste Januar. Ich schrak auf, als die Bedeutung dieses Datums mir jäh ins Bewusstsein drang: Heute wurde Katharinas Sarg in die Gruft zu Peterborough hinabgelassen. Ihr letzter irdischer Akt, sozusagen, ehe sie sich in Erinnerungen auflöste. Annes Wehen hatten eingesetzt, bevor Katharina unter der Erde war.
Heute herrschte keine Ausgelassenheit in den Gemächern der Königin. Der Diener, der mich einließ, war still. Je weiter ich kam, desto größer wurde die Zahl der Bediensteten, aber ihr Schweigen war schwer wie die mächtigen Schneefälle in den Bergen des Nordens. Ich kam durch das Privatgemach, wo die Musikinstrumente stumm auf den Fensterbänken aufgereiht standen, und gelangte in Annes innerste Kammern. Dr. Beechy trat mir entgegen.
»Es ist alles verloren«, sagte er. »Der Prinz ist tot.« Er wies auf ein mit Decken umwickeltes Häuflein in einem Korb, der auf Annes Schreibpult stand. Der Korb hatte ihre italienischen Federn und intarsiengezierten Briefschatullen verschoben und in Unordnung gebracht.
»Es war ein Prinz?«
»Es hatte das Aussehen eines Knaben von etwa sechzehn Wochen. Wollt Ihr …?«
Ich nickte. Ein Assistent des Arztes brachte den Korb herbei. Ich zog die Decken zurück und starrte auf eine gallertige Kreatur, fast durchsichtig und nur wenige Zoll lang. Das männliche Genitale war erkennbar. Ich deckte das Tuch wieder darüber.
»Ich will nun die Königin sehen«, sagte ich. »Wann wurde sie … wann kam dies zur Welt?«
»Vor weniger als einer halben Stunde«, berichtete Dr. Beechy. »Sie mühte sich mit aller Kraft, es in ihrem Leib zu behalten. Sie erschöpfte sich sehr durch diese Anstrengungen, und es machte die ganze Angelegenheit viel schmerzhafter als eine normale Geburt. Sie braucht jetzt … Trost.«
»Der Retter der Königin starb als Fehlgeburt«, schrieb ein Diplomat in dieser Woche. In der Tat: Anne hatte den Sohn verloren, auf den sie all ihre Ränke und Triumphvisionen gegründet hatte. Sie war am Ende.
»So«, sagte ich, als ich an ihr Bett trat, wo ihre Zofen sie immer noch mit Schwämmen abrieben und versorgten. »Du hast meinen Sohn verloren.«
Sie sah zu mir auf. Ihrer Juwelen entkleidet, und ohne das makellos frisierte Haar und ihre atemberaubenden Kostüme war sie so hässlich und drahtig wie eine Kloakenratte. Und wie eine von diesen suchte sie ans sichere Ufer zu paddeln.
»O mein Lord«, weinte sie. »Ich habe ihn verloren, weil ich Euch so sehr liebe. Denn als mein Onkel, der Herzog, mir die Nachricht von Eurem Unfall brachte und mir sagte, dass man mit Eurem Hinscheiden rechnen müsse, da begannen die Wehen!«
Lügnerin. Das war vor zwei Tagen.
»Liegt Ihre Majestät seit Donnerstag in den Wehen?«, fragte ich Dr. Beechy in sanftem Ton.
Der ehrliche, verschreckte Arzt schüttelte den Kopf. »Freitag haben sie begonnen, Eure Majestät.«
»Aus Verzweiflung darüber, dass Eure Liebe mich verlassen haben könnte!«, rief sie. »Denn am Freitag sah ich das Medaillon, das Mistress Seymour trug.« Mit ihren dünnen Armen stemmte sie sich aufrecht und funkelte mich an. »Kannst du bestreiten, dass du ihr Geschenke machst? Ich lasse es nicht zu!«
»Du lässt es nicht zu? Du wirst zulassen, was ich befehle, und du wirst es ertragen, wie Bessere es ertragen haben.«
»Wie Katharina?«, kreischte sie. »Nein, ich bin
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