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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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von Reading, Colchester und – vor allem – Glastonbury wurden hingerichtet. Glastonbury behauptete lügnerisch, König Arthurs Avalon zu sein, und rühmte sich eines »Heiligen Dornbusches«, der vorgeblich aus dem Stab des hl. Joseph von Arimathäa gesprossen sei, welcher wiederum mit dem Heiligen Gral nach England gekommen sei – oh, diese Lügen, die falschen Hoffnungen, die sie in uns wecken wollten! Die leichtgläubigen Toren, die am Weihnachtsabend zur Mitternacht vor dem »heiligen Dorn« standen und darauf warteten, dass er aufblühe! Ich hasste sie, wie ich jetzt alles hasste. Die Äbte wurden auf dem Gelände ihrer Klöster gehängt. Meine Soldaten rissen den »heiligen Dornbusch« aus, zerhackten ihn und verbrannten ihn bis auf die Wurzeln.
    Ich fand Vergnügen darin, den klösterlichen Besitz zu verteilen. Cromwell bekam das Kloster von St. Osyth, die Abtei Launde und das Minoritenkloster in Great Yarmouth. Sir Anthony Brown schenkte ich die gewaltigen Ländereien der Klöster Chertsey, Merton, St. Mary Overey und Guildford. Das Kloster Evesham erhielt Sir Philip Hoby, der meinem Geheimen Staatsrat angehörte, und sein Kollege Edward Harman die Abtei Tewkesbury.
    Aus all diesen Scheußlichkeiten zog ich eine wilde Freude, aber es war noch keine scheußlich genug, keine Beleidigung gegen Gott groß genug. Nichts von dem, was ich zerfleischen konnte, war ja sein lauteres Eigentum.
    Holbein kehrte von seiner Mission zurück und brachte ein Bild der Prinzessin Christina von Dänemark mit. Aber bevor ich es betrachten konnte, hatte Will mir schon von ihrer Bemerkung berichtet: »Hätte ich zwei Köpfe, so stände einer davon dem König von England zur Verfügung.«
    So wucherte also jene Lüge – ich hätte meine Frauen ermordet? Katharina war nicht von mir ermordet worden, und Jane auch nicht. Am Tode der ersten trug die Hexe die Schuld, am Tod der zweiten Gott – der gute, liebende Gott! Aber das war für den Durchschnittstölpel hinter seiner Schubkarre zu schwer zu verstehen. Da war es leichter, dem blutrünstigen König Heinrich die Schuld zu geben.
    Aber Gott ist der Blutrünstige.
    Lasset Uns den Menschen schaffen nach Unserem Ebenbild.
    Ein Mörder, der zum Spaß mordet. Es ist Dir gelungen, Allmächtiger. Du hast sogar Deinen eigenen Sohn getötet. Wie kläglich ahmen wir dich nach – wir töten nur unsere Feinde, oder wir töten durch das Gesetz. Werden wir bald »Fortschritte« machen und nach Deinem Bilde wachsen? Gottähnlicher werden?
    Ich bemühe mich, Gott. Ich bemühe mich.
    Ich fühlte einen Drang zum Essen – keinen Hunger, sondern Essensdrang; das ist nicht das Gleiche. Ich bestellte sechs Törtchen, und als sie gebracht wurden – zwei mit Äpfeln, eins mit Pflaumen, zwei mit Erdbeeren und eins mit Himbeeren –, aß ich sie alle; ich stopfte sie mir nacheinander in den Mund, ohne das erste herunterzuschlucken, und mischte alle Geschmäcker durcheinander. Ich fand keine Freude mehr am Geschmack, sondern im Übermaß … dort fand ich negative Freude.
    Der Aufstand des Nordens, der in der »Pilgerschaft der Gnade« kurz und sichtbar aufgeflammt war, erstarb jetzt zu einem heimlichen, tödlichen Glühen. Ich rief einen Rat des Nordens ins Leben, geführt von Bischof Tunstall von Durham, der diese Gegend fortan regieren sollte. Nie wieder würde ich die nördlichen Grafschaften sich selbst überlassen. Sie sollten mich sehen und ich sie.
    Aber es gab Leute im Reich, die mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren – ganz und gar nicht. Die Familie Pole unter der Führung der alten Margaret Plantagenet (der Tochter des Herzogs von Clarence und somit Urururenkelin König Edward iii.) und ihrer Söhne der »Weißen Rose« – Henry Lord Montague, Geoffrey und der unerträgliche Reginald, der verräterische päpstliche Gesandtenhund – hatte darauf gehofft, die fast verwelkte Weiße Rose zu neuer Blüte zu bringen. Der Norden war stets dem Hause York verbunden gewesen, und seine Sympathien hatten Richard iii. gehört. Die verschiedenen übrig gebliebenen Knospen dieser dynastischen Ranke – die Poles, und Henry Courtenay, der Marquis von Exeter – hatten nicht aufgehört, von einer neuen dynastischen Blüte zu träumen, »sollte dem König etwas zustoßen« … Gott befohlen.
    Ich könnte ihren Verrat in allen Einzelheiten darlegen. Aber das ist mühselig. Henry Courtenay und seine Frau Elizabeth hatten sich mit Chapuys und seinem erbärmlichen Plan zur Rettung Katharinas und Marias

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