Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
Vom Netzwerk:
rückwärts – September, August, Juli. Im Juni also.«
    Im Juni. So bald! Nach weniger als einem Ehejahr würde sie mein Kind zur Welt bringen. Wie Katharina es getan hatte. Wahrlich, es hatte sich nichts verändert! Ich war, wie ich immer gewesen war.
    »Catherine, meine Königin, meine Geliebte – die Freude, die darin für mich liegt …«
    »Pssst.« Sie legte mir einen Finger auf die Lippen. »Noch sind wir nur Mann und Frau. Das Kind ist nicht groß genug, um irgendetwas zu ändern an dem … was wir gern tun möchten.« Ihre Zunge drang in mein Ohr. »Mein Körper ist dein, wie er es immer war. Erinnerst du dich?« Sie berührte mich auf lasterhafte Weise und ließ eine Flut von obszönem Verlangen in mir aufsteigen. Ich reagierte, wie sie es vorhergesehen hatte.
    Es war dunkel, als ich erwachte. Ich lag hingestreckt auf einem schmalen Bett. Wo? Meine Augen suchten nach etwas Vertrautem und fanden nichts. Alles war gleichförmig schwarz. Ich streckte eine Hand aus; sie war taub, weil sie über die Bettkante gehangen hatte. Ich fühlte Pelz. Pelz? Ein Jagdhaus. Ja … Dunstable. Catherine bekam ein Kind. Jetzt, ja … und dann flutete die Erinnerung an unsere wilden, furchtlosen Liebesspiele heran. Die Schamlosigkeiten in der kostbaren Abgeschiedenheit der schrägen Dachkammer. Die Dinge, die wir getan hatten, undenkbare Dinge … und dennoch unvergesslich. Instinktiv bekreuzigte ich mich und verfluchte mich dann. Papistischer Aberglaube. Was? Das Gefühl, dass die Lust am Weibe vom Bösen war. Hieß es nicht in der Schrift, dass Adam, Abraham, Isaak und Jakob »ihr Weib erkannten«? Ja, aber nicht mit solchen Ausschweifungen, oder mit solchem Genuss. Sie erkannten sie, ja, wie die Natur es erforderte, aber …
    Mein Rücken war entblößt, und ich fror. Ich tastete nach einer Decke, aber ich fand keine. War Catherine da? Anscheinend nicht. Ich hörte kein Atmen, nicht einmal leises.
    Ich zitterte. Ich musste aufstehen und mich ankleiden. Ich beugte mich hinunter und suchte nach Kleidern; da lagen sie, zusammengeknüllt zu meinen Füßen. Ich zog sie an und genoss die Wärme, die sie mir spendeten.
    Inzwischen waren meine Sinne beinahe vollständig wiedererwacht. Ich wusste, ich hockte auf dem Bett, in dem ich mich vor kurzem mit meinem Weibe vergnügt hatte. Ich war in Dunstable. Es war dunkel geworden. Ohne Zweifel war es Zeit zum Abendessen, und Catherine erwartete mich in dem kleinen Zimmer, in dem wir unsere Mahlzeiten einzunehmen pflegten.
    Ich schlurfte zur Tür und strich mit der Hand über den Rahmen. Ein Streifen Licht schimmerte vor mir. Durch den Spalt sah ich zwei Profile. Das eine gehörte Catherine, das andere einem jungen Mann. Er hatte eine Habichtsnase und dichtes, dunkles Haar, das ihm in die Stirn fiel. Ihre Lippen bewegten sich schnell.
    Ich riss die schmale Doppeltür auf, und die beiden erschraken.
    »Mein Lord«, sagte Catherine und verneigte sich leicht. Als müsse sie sich nach dem, was vorhin zwischen uns geschehen war, vor mir verneigen … oder war dies etwa boshafter Humor?
    »Mein Weib.« In diesem stand ich nicht zurück. Der junge Mann verbeugte sich tief und richtete sich wieder auf. Schlank und bebend stand er vor mir – wie ein begieriger Degen. Oder wie etwas anderes, etwas, woran ich nicht denken wollte.
    »Das ist Francis Dereham«, sagte Catherine lächelnd. »Ein Verwandter aus Norfolk. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit, und er ist vertrauenswürdig. Deshalb habe ich ihn zu meinem Sekretär ernannt.«
    Ich sah ihn an. Er sah eher aus wie ein Pirat denn wie ein Sekretär. »Es ziemt sich nicht, wenn man sein Vorrecht, Verwandte in bedeutende Positionen zu erheben, im Übermaß strapaziert. Der Sekretär der Königin hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen …«
    »Dann soll er mein Flitterwochensekretär sein«, lachte sie. »Vielleicht hast du Recht. In London wäre er nicht angemessen. Und bald genug werden wir dorthin zurückkehren, und dann, lieber Gemahl« – sie kam zu mir und nahm meine Hand zwischen die ihren –, »dann werden wir brav und würdevoll werden, und du wirst mich lehren, wie ich mich benehmen muss. Aber können wir bis dahin nicht etwas weniger gewichtige Bedienstete haben als gewöhnlich? Wir tragen Kattun im Sommer und Wolle im Winter. Nun, ich möchte einen Kattun-Sekretär für diese frohgemute Zeit.«
    Dereham machte ein verlegenes Gesicht, und dazu hatte er allen Grund.
    »Bis Weihnachten wird der Sekretär nur leichte Aufgaben haben«,

Weitere Kostenlose Bücher