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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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anderen hätte ich genauso empfunden.
    »Er hat ein lebhaftes Interesse an der Schrift«, erklärte Vater hastig. »Er hat sie schließlich studiert, zur Vorbereitung auf das Priesteramt. Da wäre es ja sonderbar, nicht wahr, wenn er sie nicht auf das Strengste auslegen wollte …«
    »Ja. Es ist ein Frevel, beim Weibe des Bruders zu liegen.« Der Bischof lächelte – eine wunderliche Reaktion auf den angeblichen Frevel. »Wir werden Euer Gewissen beruhigen, mein Prinz.« Er straffte sich stolz und rasselte einige Worte herunter, die ich nachsprechen sollte.
    »… verabscheue … frevelhafte … Vereinigung mit der Hinterbliebenen unseres geliebten Bruders …«
    Dann reichte er mir eine Feder und wies auf die Dokumente, die meiner harrten. Rasch unterschrieb ich sie alle. Die Feder taugte nichts; sie verkleckerte die Tinte und bohrte sich ins Pergament.
    »Und damit ist mein Gewissen rein?«, fragte ich. Es war eine Travestie, und ich hatte mich versündigt.
    »Wahrlich«, sagte der Bischof.
    »So einfach«, sagte ich. »So einfach. Man sollte doch meinen, es wäre schwieriger. Bei einer so gewichtigen Angelegenheit.«
    »Je gewichtiger die Angelegenheit, desto einfacher ist es oft, sie aus der Welt zu schaffen«, erläuterte er.
    »Komm«, sagte Vater; er fürchtete, ich könnte noch mehr Unerfreuliches sagen. »Es ist vorüber.«
    Will:
    Wenngleich Heinrich vorgibt, für dieses verschlagene Ränkespiel Verachtung zu hegen, muss ein Teil seiner selbst es doch ernst genommen haben. Ich habe den Verdacht, dass ihm an diesem Abend die ersten »Skrupel« ins Gewissen gepflanzt wurden, die dann eine völlig natürliche sexuelle Eifersucht auf seinen Vorgänger in etwas Tiefes und Religiöses ummünzten. Heinrich war ein Anhänger von Ritualen, und abergläubisch dazu. Nachdem er die Dokumente einmal unterschrieben hatte, musste er auch daran glauben. Nichts versetzte ihn so in Panik wie der Hinweis, er habe das Missfallen des Allmächtigen erregt. Tatsächlich sah er Gottes Hand in allen Dingen, und er war stets bemüht, auf gutem Fuß mit Ihm zu stehen. Er betrachtete sein Verhältnis zu Gott als eine besondere Partnerschaft, und wenn er seinen Teil tat, würde Gott auf alle Fälle das Seine tun. Erinnert Euch an seine Bemerkung (erinnern könnt Ihr Euch freilich nicht, denn Ihr wart ja noch nicht auf der Welt), die oftmals zitiert wurde: »Zwischen Gott und meinem Gewissen herrscht völlige Übereinstimmung.« Mit weniger wollte Harry sich nie zufrieden geben.
    Heinrich VIII.:
    Kurz danach ward Katharina durch einen neuerlichen Streit um die Mitgift genötigt, ihren eigenen Haushalt in Durham House aufzulösen und an den Hof zu ziehen, wo sie, wie sich zeigte, von den milden Gaben meines Vaters leben musste. Weder ihr Vater Ferdinand, König von Spanien, noch ihr Schwiegervater, der König von England, hatten Lust, die Kosten für ihren Haushalt zu tragen, und bei Hofe konnte sie billig leben, wenn erst all ihre Bediensteten entlassen wären. Kurz, sie sollte allein leben, ohne Geld, ohne Freunde, und von Vaters Almosen. Sie durfte nicht »hervorkommen« und sich unter die anderen am Hofe mischen, sondern musste für sich bleiben, allein und abgeschieden. Vater schärfte mir ein, ich dürfe unter keinen Umständen versuchen, sie zu sehen, mich mit ihr zu treffen oder ihr Briefe zu schreiben. Dies trotz der Tatsache, dass ich, soweit sie wusste, immer noch mit ihr verlobt war. (Das Geheimnis meiner Reise nach London am Vorabend meines vierzehnten Geburtstages war gut bewahrt worden.)
    Gleichwohl aber erreichte mich die Kunde von ihrer bemitleidenswerten Lage. Sie hatte überhaupt kein Geld bis auf das, was Vater ihr zuteilte, und er war nun kaum für seine Großzügigkeit berühmt. Wenn er schon seinen rechtmäßigen Sohn und Erben mit abgetragenen Kleidern und einer kalten, armselig eingerichteten Kammer abspeiste, was würde er dann erst für ein Mädchen tun, das zu nichts weiter taugte als dazu, ihn an den Sohn zu erinnern, den er verloren hatte, und an seine gescheiterten Pläne?
    Sie hatte seit ihrer Ankunft aus Spanien keine neuen Kleider mehr bekommen, und die alten waren inzwischen viele Male geflickt und gewendet worden. Der Fisch, den sie auf den Teller bekam, war faul, sodass sie oft daran erkrankte. Und einen merkwürdigen Beichtvater hatte sie gefunden, einen Fra Diego, von dem sie immer abhängiger wurde. Es hieß sogar, er sei ihr Liebhaber, und er gebe ihr am Tage Bußen auf, damit sie die

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