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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Witwe mit einem stillen und tugendhaften Leben in der Zurückgezogenheit begnügte … ja, dann könnte sie am Leben bleiben.
    Ich schickte ihr ein solches Angebot mit einem Dokument, das sie nur zu unterschreiben brauchte. Noch bevor es sie erreicht hatte, bereute ich es. Wie hatte ich auch nur einen Augenblick lang den Rest vergessen können? Wie sie und Culpepper sich meinen Tod vorgestellt hatten, und wie sie mich im März vergiftet hatten und nur Gott mich noch gerettet hatte? Oh, die Flausen eines zärtlichen alten Mannes, noch so vernarrt! Ich hatte es vergessen. Ich hatte es vergessen. Absichtlich hatte ich es vergessen, als könnte ich es durch Vergessen ungeschehen machen.
    Sie antwortete mit stolzen Worten und verleugnete Dereham. Es habe keine Ehe bestanden. Sie sei nicht seine Gemahlin, sei es nie gewesen. Sie sei meine Gemahlin. Sie sei die Königin von England.
    Sie wollte also daran festhalten und sterben, statt es zu widerrufen und zu leben? Festhalten an dem Einzigen in ihrem schmutzigen kleinen Leben, was sie zu etwas Besonderem machte, was in späteren Zeiten verkünden würde: Sie hat gelebt. Darin also, und nur darin, haben wir gelebt: dass wir in einem einzigen Augenblick etwas Besonderes sind.
    Ich würde es ihr gewähren. Ich würde ihr erlauben, unsterblich zu werden. Wenn ich sie nicht geliebt hätte, dann hätte ich sie gezwungen, das Papier zu unterschreiben, die Königinwürde abzulegen und ihr obskures Leben in Sussex zu beschließen. Aber ich liebte sie eben, und deshalb sollte sie den Tod bekommen, den sie ersehnte.

CX
    E inige Angehörige des Geheimen Staatsrates meinten, es solle ein offenes Verfahren geben, damit Catherine Gelegenheit bekäme, zu sprechen und sich zu verteidigen. Ich vermutete, dass sie dies nicht wünschen würde, aber ich ließ doch zu, dass eine Deputation zu ihr geschickt wurde, um Gewissheit zu schaffen. Ein Verfahren bedeutete Verzögerung, Schmutz, hässliche Details. Wenn Catherine hätte leben wollen, dann hätte sie dazu Gelegenheit gehabt, und zwar frei von allem Makel. Aber sie hatte den achtbaren Ausweg, den ich ihr mit der »Witwenschaft« geboten hatte, zurückgewiesen. Ebenso würde sie nun jeden Stolperstein zwischen ihr und einem lodernden Tod als »Königin« beiseite stoßen. Jedes Verfahren, jeder juristische Prozess würde das Drama stören, das sie nun aufzuführen entschlossen war.
    Als sie zurückkehrten, waren sie überzeugt, dass die Königin kein Verfahren wünschte. Wie ich es vorhergesagt hatte.
    Auch ich wollte kein Verfahren, nicht einmal in ihrer Abwesenheit. Ich wollte sie nicht ertragen, die Zeugen und ihre Berichte über Einzelheiten, die mich auf ewig heimsuchen würden. Und wozu auch? Sie war schuldig. Sie hatte mich aus Habgier und Ehrgeiz geheiratet, als sie nach kanonischem Recht und Gebrauch die Frau eines anderen gewesen war; sie hatte Ehebruch mit einem meiner Diener begangen und meinen Tod geplant. Musste ich all diese Missetaten etwa noch einmal aufgezählt bekommen?
    Das Parlament würde am sechzehnten Januar zusammentreten und das Urteil über sie sprechen. Ich nahm an der Eröffnungssitzung teil und saß über der Versammlung der Lords und Commons, als sie im Kapitelhaus der Westminster-Abtei zusammengekommen waren. Lord Kanzler Audley sprach zu ihnen und beglückwünschte sie zu dem günstigen Schicksal, das ihnen gewährte, von einem so prächtigen und weisen König regiert zu werden, von Heinrich dem Achten, durch Gottes Gnaden König von England und Frankreich und Lord von Irland.
    Ich roch den Frühling. Ich roch Apfelblüten und fühlte die warme Aprilluft auf meinen Wangen, meinen festen, bartlosen Wangen. In weiter Ferne, mit einem inneren Ohr, hörte ich den Heroldsruf zu Richmond an jenem Nachmittag, da ich König geworden war. Ich hatte innerlich vor Angst und Eifer zu zerplatzen geglaubt, und bebend hatte ich am Rande einer verhüllten Zukunft gestanden. Jetzt war diese Zukunft Vergangenheit; die Kerzen waren bis auf ihre Halter heruntergebrannt, und dennoch waren die Worte noch da, und immer noch ließen sie Furcht über mich kommen.
    Einer nach dem anderen erhoben und verneigten sie sich, bis schließlich die ganze Versammlung stand.
    »Lasset uns danken dem allmächtigen Gott, dass er diesem Königreich seinen unvergleichlichen Fürsten schon so lange erhalten hat«, sagte Audley.
    Ja, erhalten … wie etwas Altes, dessen Zeit längst vergangen ist. Fisch konnte man erhalten, indem man ihn in Salzlake

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