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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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geradeheraus. »Beschreibt es mir, als ständet Ihr unter Eid.«
    »Nun …« Er trat von einem Bein auf das andere, wippte vor und zurück. Er war in letzter Zeit füllig geworden.
    »Bitte, setzt Euch.« Ich deutete auf einen Stuhl, einen von zweien, die an der Wand standen.
    Er trug ihn herüber, näher zu mir. »Euer Gnaden.« Er lächelte. »Findet Ihr es nicht passend, dass diese Stühle einmal wieder in Gebrauch kommen?«
    Ich schwieg. Ich konnte mich an diese Stühle nicht erinnern. Es waren zusammenklappbare, U-förmige Holzgerüste mit Perlmuttintarsien. Irgendein Geschenk vom Patriarchen von Jerusalem?
    »Sie standen im Zelt der Spanier, als die Prinzessin von Aragon nach England kam. Als Eurem Vater der Zutritt verwehrt wurde.«
    In demselben Zelt? Als ich Katharina das erste Mal sah und mich in sie verliebte? Ich war erbost, und ich wusste nicht, warum. Warum hatten die Stühle überlebt? Sie hätten längst untergehen müssen, zusammen mit allem anderen aus dieser Welt.
    »Das ist zehntausend Jahre her.«
    »Aye.« Sein Grinsen erstarb.
    »Was habe ich gestern Abend getan? Was habe ich getan, und was habe ich gesagt? Und was hat sich wirklich zugetragen? Ich weiß, Ihr werdet es mir sagen.«
    »Es gab ein Valentinsbankett. Alles war so, wie es sein sollte, in den Farben Rot und Weiß; die Valentinsschachteln wurden verteilt und die Valentinspaare gebildet, und dann wurden die rot gefärbten Gerichte aufgetragen.«
    »Aber?«
    »Aber es war der Tag nach der Hinrichtung. Und es war keine gewöhnliche Hinrichtung gewesen. Die Königin, mein Lord – Ihr hattet die Königin hinrichten lassen. Und so war der Valentinsschmaus ein Begräbnismahl. Zumindest empfanden diejenigen, die dabei waren, es so. Keiner war heiter, außer um Euch eine Freude zu machen.«
    »Aber was war mit meinem … Benehmen?«
    »Ihr fingt an, ins Leere zu starren und zur Luft zu reden.«
    »Ich sah Catherine. Sie saß auf ihrem Platz und hatte eine Rose ohne Dornen vor sich auf dem goldenen Teller.«
    »Niemand sonst hat sie gesehen. Sie war nur für Eure Augen da.«
    »Aber die Gäste … wussten sie, dass ich sie sah?«
    »Sie wussten, dass Ihr irgendetwas saht.«
    »Also glauben sie, ich sei wahnsinnig.« Ich stieß die Worte hervor. Ich hatte meine Besessenheit, meine Albträume, vor aller Augen zur Schau gestellt.
    »Sie glauben, Euch plage das Gewissen.« Seine tiefen braunen Augen, das einzig Jugendliche in seinem zerfurchten Gesicht, blickten geradewegs in meine. »Von Eurem weiteren Benehmen wird abhängen, ob sie Euch für wahnsinnig halten oder nicht.«
    »Mich plagt mein Gewissen nicht!«, murrte ich. »Sie hatte den Tod verdient.«
    »Wenn nicht, ist es Wahnsinn«, beharrte Brandon ruhig. »Es sind die beiden einzigen Erklärungen, die sie Euch zugestehen werden. Das Volk hat es gern einfach, mein Lord.«
    »Ihr wisst, dass ich nicht wahnsinnig bin«, hob ich an.
    »Wenn allzu große Anspannung allzu lange dauert, kann sie jeden in den Wahnsinn treiben.« Er war vorsichtig.
    »Ich war noch nie wahnsinnig, und ich werde es auch nie sein! Aber Ihr habt Recht; es war töricht, ein solches Fest nach einer Hinrichtung zu veranstalten. Besser, man trauert einfach und gibt zu, dass man trauert. Ich hätte mich in meine Gemächer einschließen und den ganzen Tag weinen sollen. Dann würde ich mich jetzt sauber fühlen, nicht beschmutzt wie nie zuvor.«
    »Der Tod säubert nicht. Manchmal weicht einem ein geliebter – oder verhasster – Mensch nie mehr von der Seite. Ich vermisse Maria immer noch. Katherine ist kein Trost. Auch ich war ein Narr.«
    Ich umarmte ihn. »Ich habe Euch falsch beurteilt.«
    »Wie andere Euch falsch beurteilen werden«, erwiderte er. »Wenn Ihr nicht Acht gebt.«
    Plötzlich war es wichtig, ihm alles zu erzählen. »Ich war nicht allein in meiner Kammer heute Nacht. Ich hörte Schreie draußen, in der langen Galerie. Und dann standen Mönche in den hinteren Winkeln meines Gemachs. Sie wisperten, steckten die Köpfe zusammen, zeigten auf mich, verurteilten mich.«
    Er erschrak und machte ein unbehagliches Gesicht. »Schreie? Wie von einer Frau? In der Langen Galerie, sagt Ihr?« Unvermittelt sprang er von dem spanischen Stuhl auf. »Erinnert Ihr Euch, wie Ihr in Hampton Court die Messe hörtet, in eben derselben königlichen Kapelle, als die Kunde über Catherine just ruchbar geworden war?«
    »Ja.«
    »Niemand wollte es Euch damals sagen, denn sie handelten auf eigene Faust und fürchteten Euren Zorn.

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