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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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benutzte nur ihre äußere Hülle. Die Wache schlug darauf ein; einer stach in die Luft, als wolle er ihre Brust durchbohren. Der andere sprang umher wie ein verstörter Frosch.
    Ich schloss die Tür. Auch andere hatten sie gesehen.
    Am nächsten Morgen behaupteten die Soldaten, sie hätten nichts gesehen, nichts gehört und eine ruhige Nacht verbracht.
    Lügner. Lügner. Ich war umgeben von Lügnern, Feiglingen, Feinden, die mir das Leben in all seinen Aspekten falsch darzustellen trachteten. Wozu?
    Ich dankte ihnen und bat sie, ihren Dienst noch eine Woche weiterzuführen, nur um sicherzugehen.
    »Denn wenn es dort Ratten gibt, müssen wir sie ausrotten.«
    Sie pflichteten mir bei. »Eine ruhige Nacht muss nicht unbedingt bedeuten, dass nicht doch welche da sind.« Ich schaute ihnen in die Augen und entdeckte kein Widerstreben gegen das Ansinnen, noch weitere Nächte in der Galerie zu verbringen. Woher hatte diese Generation so harte Herzen?
    Jede Nacht hörte ich den Geist. Jeden Morgen meldete die Wache eine ereignislose Nacht. Am Ende der achten Nacht zahlte ich sie aus, dankte ihnen für ihre Ehrlichkeit und ihre Unermüdlichkeit und ließ sie ziehen.
    »Also kein Gift«, erklärte ich heiter.
    »Da ist nichts zu vergiften«, stimmten sie zu.

    Nein. Einen Geist kann man nicht vergiften. Nur die Meinung anderer kann man vergiften, und das hatte ich mit meinem Benehmen beim Valentinsschmaus getan. Nun, von mir aus. Ich würde mich darangeben, sie zu besänftigen. Die Herzen der Menschen sind wie Brunnen. Erst sind sie klar, dann werden sie trübe – aber der Verschmutzung kann man immer entgegenwirken, indem man etwas anderes hineinwirft.
    Ich hatte eine Valentinsgabe für meinen Valentinsschatz, und ich hatte versprochen, dass sie sie bekommen sollte. Jetzt musste ich mein Versprechen erfüllen, musste versuchen, mich so normal wie möglich zu benehmen. Also schickte ich der Witwe Parr einen Brief und bat sie, am nächsten Morgen zur Messe und danach zum Essen zu mir zu kommen. Ich wusste, sie wohnte noch bei Hofe. Catherines Haushalt war intakt geblieben, ein Körper ohne Kopf (wie Catherine selbst, seine Herrin), und harrte meines Befehls zu seiner Auflösung.
    Die Witwe Parr erschien pünktlich eine Viertelstunde vor Beginn der Messe. Ich bemerkte, dass sie immer noch eine schlichte schwarze Trauerhaube trug, im Gedenken an ihren verstorbenen Lord.
    »Ihr kommt zu früh«, stellte ich fest, als meine Kammerdiener sie zu mir hereinführten.
    »Ich wusste nicht, wie viel Zeit Eure Majestät vorher in Andacht versunken zubringen wollte. Ich möchte Euch wohl begleiten, nicht aber die Bahnen Eurer gewohnten Anbetung stören.«
    »Aye, aye.« Plötzlich war mir all die beflissene Aufmerksamkeit ringsum lästig. »Dann kommt. Wir gehen sofort.« Ich lächelte – besser gesagt, ich zwang mein Gesicht, sich zu einem Lächeln zu formen – und streckte ihr die Hand entgegen.
    Zusammen betraten wir die königliche Kapelle. Aber statt geradewegs mit der Andacht zu beginnen, hieß ich sie innehalten und warten, bis unsere Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Über uns glänzten große goldene Sterne, prächtig auf ein tiefblaues Firmament gemalt.
    »Hier ist es so dunkel wie in einer Türkenhöhle«, erklärte sie unverhofft. »Düster und muffig.«
    Schaler Weihrauchdunst vom vorigen Tag hing noch in der Luft.
    »Man sollte in einem so klaren Licht vor Jesus hintreten, wie Maria es am frühen Ostermorgen tat«, meinte sie.
    Sie bat nicht um Vergebung, sie mäßigte nicht die Schärfe ihrer Worte. Auch stahl sie sich nicht davon zu einer Statue der Heiligen Jungfrau – wie ich es gern getan hätte – und fiel davor in stiller Andacht auf die Knie. Stattdessen senkte sie den Kopf und versuchte, in einem Buch zu lesen, das sie mitgebracht hatte. In diesem trüben Licht war das unmöglich.
    Verlegen begab ich mich zu der privaten Gebetsnische, die vor der Heiligen Jungfrau für mich reserviert war. Als Cranmer und seine Messdiener erschienen, bereit zur Messfeier, stemmte ich mich aus meinem Betstuhl hoch und ging zu Katherine zurück. Ich nahm sie bei der Hand und führte sie in die königliche Bank.
    Während der Messe tat sie mir alles nach. Sie kniete, wenn ich kniete, beugte das Knie, wenn ich das Knie beugte, sie empfing sogar die Hostie. Aber ihr Gesicht konnte ich im Schatten der Witwenhaube nicht sehen.
    Die Messe war zu Ende. Cranmer umarmte uns in der Tür der Kapelle und gab uns seinen Segen. Ich

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