Ich, Heinrich VIII.
Papst gebraucht. Aber die Wahrheit ist, dass ich sie nicht gebraucht hatte; ich hatte mich ins Bockshorn jagen lassen. Sie hatten mich an der Leine geführt und mir Vorschriften gemacht und mir mein Geld weggenommen. Nein, gebraucht hatte ich sie nicht. Wenn Karl jetzt an meiner Seite kämpfen wollte, würde ich ihm den Gefallen tun. Dem Papst ebenso. Aber es war mir gleichgültig, für welchen Weg sie sich entschieden.
Ich ließ Chapuys rufen, um ihm mitzuteilen, er möge seinem Herrn berichten, dass ich zum Krieg gegen Frankreich entschlossen sei, und zwar in meinem eigenen Interesse, dass ich aber gegen ihn als Kampfgefährten nichts einzuwenden hätte. Ich wusste, es würde Chapuys gefallen, wenn er auf den Kontinent zurückkehren könnte, und es würde ihm auch gefallen, dass seine letzte Mission zwischen seinem Herrn und mir eine freundliche sein würde.
»Sagt Karl, ich werde persönlich gegen Franz zu Felde ziehen«, trug ich Chapuys auf. »Ich gedenke eigenhändig Kanonen abzufeuern und mit meinen Männern im Zelt zu schlafen. Meine Bedingungen, meine Vorwürfe gegen den König von Frankreich und meine vorläufige Strategie sind in diesem Dokument umrissen.« Ich reichte ihm ein fest zusammengerolltes Pergament, das ich noch nach Mitternacht eigenhändig geschrieben und das niemand sonst gelesen oder auch nur gesehen hatte – nein, nicht einmal Will. »Ich habe es gut versiegelt, an beiden Enden, und die äußere Hülle verschlossen. Karl soll sich vergewissern, dass die Siegel unangetastet sind. Ich weiß, Ihr werdet es unterwegs gut bewachen, und kein Spion wird einen Blick auf den Inhalt werfen können.«
»Cromwell ist tot, Eure Majestät«, antwortete Chapuys mit seiner feinen, trockenen Stimme. Im Alter erinnerte er an einen Skorpion: spröde, trocken, aber immer noch gefährlich.
Schade. Cromwell hätte ich jetzt gut gebrauchen können – oder wenn schon nicht den Schurken selbst, so doch seine Methoden. Unter meiner Führung zeigten sich Cromwells übrig gebliebenen Spione einigermaßen nachlässig und nichtsnutzig. Ich besaß eben nicht den diabolischen Genius ihres Meisters. »Aye, und deshalb sind Briefe wieder sicher.« Ich lachte.
»Ist dies der Abschied?«, fragte er schlicht.
»Möglich«, antwortete ich. Es konnte sein, dass der Kaiser ihn nicht wieder nach England zurückschicken würde. Wahrscheinlich würde ein neuer Gesandter mir Karls Antwort überbringen, während Chapuys in den Ruhestand geschickt werden und seine letzten Tage irgendwo am Mittelmeer verbringen würde, wo er die Sonne aufsaugen würde wie eine Eidechse. »Die Begegnungen mit Euch werden mir fehlen, mein Freund.« Abschiede taten weh, und jedes Mal mehr, als man erwartet hatte. Mir waren sie verhasst.
»Habt Ihr über das nachgedacht, was wir hinsichtlich der Prinzessin Maria besprochen haben?«
Ich korrigierte den Ausdruck »Prinzessin« nicht. Er hatte sich das Recht verdient, sie so zu nennen. »Ja. Ich hatte mit den Franzosen verhandelt, um sie mit Franz’ zweitem Sohn zu vermählen. Aber jetzt …« Ich zerrte an meinem Gürtel und hätte ihn am liebsten zerrissen, als könnte das meine Wut lindern. »Jetzt soll eben dieser Sohn Maria Stuart heiraten. Ihr seht, wie sie mich betrügen. Und meine Maria ist wieder einmal unverheiratet, unerwünscht …«
»Ein Franzose wäre ihrer nicht würdig gewesen«, sagte Chapuys. »Aber es war gütig von Euch, dass Ihr versucht habt, es in die Wege zu leiten. Vielleicht jemand aus dem spanischen Königshause … und wäre er auch jünger …«
»Oder einer von den unehelichen Söhnen Seiner Heiligkeit?« Ich konnte der Verlockung, Chapuys zu ärgern, nicht widerstehen. »Ein guter Papstkatholik, unbedingt!«
»Warum nicht? Eine uneheliche Königstochter für einen unehelichen Prälatensohn?« Er parierte meine Stichelei. Aber unser Gefecht war leicht und liebevoll, wie es dies nur nach langer Gegnerschaft werden kann. Gütiger Jesus, ich würde ihn vermissen!
»Ja. Das würde gehen. Und im Ehevertrag würde der Bischof von Rom meinen Titel als Oberstes Haupt der Kirche von England anerkennen.«
»Euer Traum«, sagte Chapuys.
»Ein Mensch soll träumen, und ein König muss es«, beharrte ich. »Und es kann immer noch Wirklichkeit werden. Es haben sich schon merkwürdigere Dinge zugetragen. Nein, ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der Papst und ich eines Tages …« Ich ließ den Satz unbestimmt und unvollendet. Unausgesprochene Wünsche wurden schneller
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