Ich, Heinrich VIII.

sich so einzusperren.« Ich wandte mich an van der Delft. »Wir wollen unser Gespräch draußen fortsetzen, im Garten.« Zu Holbein sagte ich: »Ihr seid frei, zu tun, was Euch beliebt.«
    Während der kaiserliche Botschafter unter den blühenden Kirsch-, Apfel- und Birnbäumen einherwandelte, liebkost von klebrig-süßem Wind aus dem Süden, zog Holbein sich in seine Gemächer zurück, legte sich auf sein schmales Bett und starb an der Pest.

    Die Pest! Das Wort allein ließ Angst erwachen, aber indem sie Holbein niederstreckte, hatte sie ihre grinsende Fratze im Herzen des Palastes erhoben. Und Edward war in Whitehall! Ich hatte ihn für den Sommer hergeholt, damit er einmal das Leben bei Hofe sehen und sich in einem großen Schloss heimisch fühlen konnte. Edward war von Holbein gezeichnet worden, hatte nur wenige Schritt weit vor ihm gesessen, gerade sieben Tage vor seinem Tod!
    Ich musste Edward in Sicherheit bringen und dann selber fliehen. Aber wo wäre es am sichersten? Schon kamen die ersten Berichte über die Heftigkeit, mit der die Seuche über London hereingebrochen war. Leichenberge begannen sich an den Straßenkreuzungen zu türmen. Niemand wollte die Toten anrühren, geschweige denn, sie begraben. In Houndsditch, bei der Kanonengießerei, übergoss jemand den Haufen mit heißem Öl und hielt dann eine Fackel daran. Über die rauchende, schmierige Asche schaufelten sie Erde und formten so einen greulichen kleinen Hügel.
    Die Pest tobte vor allem in den Dörfern im Südosten, in Maidstone, Wrotham, West Malling und Ashford, und auch in Dover. Aus dem Westen war bisher noch kein Fall von Erkrankung gemeldet. Also würde ich Maria nach Westen schicken, nach Woodstock. Und ich selbst wollte mit Edward ebenfalls nach Westen fliehen, zurück nach Wiltshire und nach Wolf Hall.
    Die Brüder Seymour wollten auch kommen; das war recht, denn Edward war ihr Neffe. Der übrige Hofstaat sollte sich auflösen; der Geheime Staatsrat sollte durch Boten weiterhin als Einheit verbunden bleiben.
    Ich rief den Rat zusammen und erläuterte kurz, was zu tun war.
    »Die Pest rast«, sagte ich, »und wir müssen fliehen. Kein Heldentum; ich will keine Helden. Wolsey zeigte Heldentum und blieb in London, um zu arbeiten, bis achtzehn seiner Gehilfen gestorben waren. Dafür seid Ihr mir zu kostbar. Ich befehle Euch deshalb, London innerhalb von achtundvierzig Stunden zu verlassen. Nehmt so wenig wie möglich mit. Die Pest reist mit den Menschen, und wir wissen nicht, wie. Wenn schon jemand in Eurem Haushalt krank ist, geht unverzüglich.«
    Sie schauten mich an, scheinbar gesund. Wie Holbein, als er Vaters Wachsmaske auf den Schemel gestellt hatte, vor wenigen Tagen erst …
    »Da wir uns jetzt trennen müssen und erst im Herbst, so Gott will, wieder zusammenkommen, muss ich Euch heute reinen Wein einschenken«, begann ich. »Wir rüsten zum Krieg gegen Frankreich. Der Kaiser hat Franz bereits den Krieg erklärt, und wir haben die Absicht, zu ihm zu stoßen. Ich werde persönlich ins Feld ziehen.«
    Nach dieser kühnen Eröffnung machten diejenigen Räte, die Frankreich zugeneigt waren – Edward Seymour etwa und John Dudley –, bestürzte Gesichter. Die Nicht-Soldaten – Wriothesley, Paget, Gardiner – zeigten gleichfalls umwölkte Stirnen. Aber Seymour und Dudley waren im Herzen Kämpfer und wollten Krieg, und Paget und Gardiner waren Anhänger des Kaisers, und so hatte das kontinentale Unternehmen gleichwohl auch für sie seinen Reiz.
    »Im Augenblick sind die Verhandlungen ein wenig festgefahren, aber nur in diplomatischen Fragen. England wird auf jeden Fall gegen Frankreich in den Krieg ziehen und das Problem mit den Schotten so ein für alle Mal lösen. Ihre Aufsässigkeit wird unerträglich. Ich werde nicht zulassen, dass sie weiter ungehindert Blüten treibt. Frankreich ist für sie der Quell der Ermutigung und der Rebellion. Wir dürfen nicht länger die Welpen prügeln, wir müssen die Hündin erschlagen.«
    Norfolk und Suffolk blickten zustimmend, aber müde. Sie waren alt. Ein Kontinentalfeldzug bedeutete, dass sie die Armeen würden führen müssen. Freilich, Norfolk hatte seinen ungestümen Sohn, der ihm helfen konnte. Suffolk hatte niemanden, denn sein Sohn war früh gestorben.
    »Ich selbst reise nun mit meinem Sohn nach Wiltshire. Ich werde zu Wolf Hall Wohnung nehmen.«
    Wenn Edward Seymour sich darüber ärgerte, dass ich das Haus seiner Ahnen in Beschlag nahm, so ließ er es sich nicht anmerken. Er saß