Ich, Heinrich VIII.
Korb. »Wie enttäuscht werden sie sein, wenn wir mit überfließenden Körben zurückkehren!«
Sie sah mich an und schenkte mir ein Lächeln, aber ein trauriges – als wollte sie sagen: Wie schade. Die Natur ringsumher wuchs und vermehrte sich ungestüm; frische grüne Stiele, Gräser, Kräuter und Ranken sprossen allenthalben im Überfluss. Und wir standen mitten darin, unfruchtbar.
Aber dies war eben ein Abschnitt meines Lebens: Ich lebte im Herbst, im Spätherbst. Im Herbst würden diese Felder und Wälder sein wie ich, und unser Zustand würde der gleiche sein. Jetzt war der November, der hier durch die Juni-Auen zog, empörend, beleidigend; später würden wir miteinander verschmelzen, und ich würde hingehören, wo ich jetzt nur ein Gast war, ein Fremder.
Wir fanden die Erdbeeren inmitten von Unkraut und wild ausgesätem Roggen. Sie zu pflücken war Arbeit, eine Arbeit, die mir missfiel. Das Bücken war mir so schwer geworden, dass ich gezwungen war, niederzuknien, aber das war genauso schwer, denn der Druck auf meinem schwachen Bein bewirkte, dass es zu pochen anfing. Wenn ich es in irgendeiner Weise reizte, bedeutete das womöglich, dass es wieder zu schwären begann. Schließlich fand ich eine Art halb kniende Stellung, in der ich es aushalten konnte.
Wir pflückten schweigend. Tatsächlich hatte ich auch keine Kraft mehr übrig, um in dieser unbequemen Position auch noch ein Gespräch zu führen. Die Sonne brannte mir auf die Mütze, und bald war mir zu heiß, aber – die letzten Spuren der Eitelkeit! – ich brachte es nicht über mich, meinen kahlen Schädel zu entblößen.
Der Schweiß brach mir aus, strömte mir über das Gesicht, sammelte sich dann zu kleinen Rinnsalen und floss durch die Falten und Runzeln meiner Haut. Die roten Erdbeeren glänzten und schimmerten vor meinen Augen, flimmerten wie Sterne. Dann drehte sich alles, und ich fiel mit dem Gesicht voran in die Wiese. Ich fühlte, wie meine Wange eine Erdbeere zerquetschte, und der süße Duft, den sie verströmte, drang mir überwältigend in die Nase.
Ich blickte auf in Kates Gesicht. Ich lag auf dem Rücken, den Kopf in ihrem Schoß, und sie fächelte mir mit meiner Mütze Kühlung zu. Meine Mütze … dann hatte sie meine Glatze gesehen! Oh, diese Schmach!
»In der Sonne ist mir schwindlig geworden«, murmelte ich. Ich fühlte mich so erniedrigt, so beschämt, dass ich sie hasste, weil sie dies gesehen hatte. Jetzt wollte ich sie nicht mehr heiraten. Ich konnte keine Frau haben, die in meiner Schwäche auf mich herunterschaute, die sich mir überlegen fühlte. Meine Beine waren ausgestreckt und gespreizt. Wie ein hilfloser Frosch lag ich vor ihren Augen.
Ich setzte mich auf, nahm meine Mütze an mich, stülpte sie mir über den Kopf. Ich musste weg von hier, fort aus ihrer Gegenwart, ihrer beschämenden Gegenwart. Ich rappelte mich hoch, stieß ihre »helfenden« Hände beiseite. Ihre spöttischen Hände, besser gesagt!
»Edward geht es genauso«, sagte sie mit ganz natürlicher Stimme. »In der prallen Sonne wird es ihm zu heiß. Es muss an der hellen Haut der Tudors liegen, denn wie ich höre, meidet Elisabeth die Sonne aus dem nämlichen Grunde. Obgleich ihre weiße Haut ihr ganzer Stolz ist, wie ich weiß.«
Ich fühlte, wie Erleichterung mich durchströmte. Mein Stolz war gerettet. Doch nein – so ging es nicht. »Kate«, sagte ich, »Ihr habt jetzt gesehen, was ich um jeden Preis vor Euch verbergen wollte. Ich bin nicht mehr, was ich einmal war. Die Wahrheit ist: Früher hat die Sonne mir nie etwas ausgemacht. Die Wahrheit ist: Ich habe vielerlei Gebrechen. Mein Bein fängt in regelmäßigen Abständen an zu wüten und macht mich zum Krüppel. Ich habe in letzter Zeit Schwierigkeiten mit meiner Blase … und ich leide unter rasenden Kopfschmerzen, nach denen ich immer matt und erschöpft bin. Und unter krankhaften Fantasien, Gestalten, die kommen und mit mir sprechen, die in Ecken stehen und kreischend durch Korridore laufen. Ich bin ein alter, kranker Mann.« So. Jetzt hatte ich es gesagt. Und jetzt würde ich sie entlassen, sie von der Verlobung entbinden und ihr nur auferlegen, niemandem zu erzählen, was sie heute erlebt hatte.
»Ja. Ich weiß.« Es war eine Feststellung, keine Entschuldigung. »Ich habe nicht in Unkenntnis all dessen eingewilligt, Euch zu heiraten, Euer Gnaden.«
»Dann tut Ihr es aus Mitleid?« Mitleid war etwas, das mir mehr als alles andere unerträglich war, denn Mitleid erniedrigte mich mehr
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