Ich, Heinrich VIII.
einen Stapel frisch gefaltete weiße Tücher an sein Bett, und wenn er sich abends zurückzog, trug man einen Haufen blutig zusammengeknüllte hinaus.
Vater ließ seinen Geheimen Rat an seinem Bett zusammenkommen; bei einigen dieser Zusammenkünfte war ich zugegen. Sie waren langweilig und drehten sich ausschließlich ums Geld: Wie man es bekam, wie man es verlieh, wie man es sicherte. Empson und Dudley, seine Finanzminister, waren skrupellose Blutsauger. Offenbar galt die Hauptsorge eines Königs (der er sich in jedem Augenblick des Wachseins zu widmen hatte) der Jagd nach dem Geld. Es kam mir schmutzig vor. Hatte Alexander der Große sich um solche Dinge bekümmert? Hatte Cäsar um Calpurnias Mitgift zanken müssen?
Denn Katharinas Mitgift war noch immer nicht zu Vaters Zufriedenheit ausbezahlt worden. Immerfort überschüttete er Ferdinands Gesandten mit Vorwürfen, er drohte, Katharina zurückzuschicken und mich mit einer französischen Prinzessin zu vermählen, und so weiter. Ich glaube, eigentlich machte es ihm großen Spaß, wie anderen Männern etwa die Bärenhatz. Und es lenkte ihn von den blutigen Leintüchern ab.
Alle anderen am Hofe aber dachten kaum noch an etwas anderes. Es war täglich eine Frage von großer Bedeutung: Wie viele hatte er heute benutzt, und wie viel Blut war daran? War es dick oder dünn? Hell oder dunkel? Gar schwarz? Der Wäscheknecht und die Waschweiber kassierten hübsche Sümmchen für solche Informationen.
Um die Weihnachtsfeiertage ging Vaters langsamer, qualvoller Totentanz immer noch weiter, derweil die Zuschauer, als wären sie dazu übereingekommen, so taten, als bemerkten sie es nicht. Es war Verrat, sich den Tod des Königs »vorzustellen«, aber zugleich menschenunmöglich, es zu vermeiden.
Er spielte weiter sein politisches Schach und benutzte seine beiden noch unverheirateten Kinder als Bauern und Hilfstruppe. In einer makabren (vielleicht auch nur der Selbsttäuschung dienenden) Geste schloss er sich selbst neben Maria und mir in die Eheverhandlungen ein. Noch kurz vor Neujahr legte er letzte Hand an seine großartige Dreifach-Allianz, ein verwirrendes Durcheinander von Ehen, mit denen die Habsburger und die Tudors zu einem prachtvollen Familiengebäude zusammengefügt werden sollten. Er selbst sollte dabei der Bräutigam Margarets von Savoyen werden, der niederländischen Regentin; ich sollte eine Tochter des Herzogs Albert von Bayern heiraten; die dreizehnjährige Maria schließlich sollte mit dem neunjährigen Karl vermählt werden, König Ferdinands und Maximilians Enkel und höchstwahrscheinlich künftiger Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. (Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches muss zwar gewählt werden, aber die Wahlmänner scheinen für die Verdienste eines Kandidaten, der nicht dem Hause Habsburg entstammt, in einzigartiger Weise blind zu sein. Es handelt sich da ebenso wenig um eine Wahl wie bei den Päpsten; es ist ein Geschäft.)
Will:
Und den Zuschlag erhält der Meistbietende, wie Heinrich und Wolsey aus erster Hand erfuhren, als sie versuchten, 1517 die römische Kaiserkrone für Heinrich und 1522 das Amt des Papstes für Wolsey zu kaufen. Diese Posten sind nicht billig, und Heinrich und sein eingebildeter, aufgeblasener Esel von einem Kanzler waren einfach nicht bereit, den vollen Marktpreis aufzubringen. Heinrich legte manchmal eine perverse Sparsamkeit an den Tag – vielleicht eine sentimentale Geste zum Gedenken an seinen Vater?
Heinrich VIII.:
Beglückt über diesen Erfolg, zog der König sich auf sein Sterbebett zurück. Das war kurz nach dem Neujahrstag von 1509, und er kam nie wieder hervor. Richmond war der Ort, den er sich für seinen Tod erwählte.
Dennoch musste der äußere Schein gewahrt bleiben. Der König lag nicht im Sterben; er war lediglich indisponiert; er war nicht schwach, sondern nur müde; es ging nicht mit ihm zu Ende, sondern er ruhte sich aus. Jeden Tag ließ er nach mir schicken, und dann saß ich stundenlang an seiner Seite, aber er weigerte sich störrisch, mir irgendetwas von Bedeutung anzuvertrauen. Er musste seine Rolle weiterspielen, wie ich die meine.
Wenn ich seine Kammer betrat, durfte ich mit keinem Wort sein einziges luxuriöses Zugeständnis ans Sterben erwähnen: Das Holz türmte sich im Kamin, und es war über die Maßen warm im Raum. Noch durfte ich schnuppern oder sonst wie auf das schwere Parfüm und Räucherwerk anspielen, mit dem der Geruch von Krankheit und Tod übertüncht wurde. Der
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