Ich, Heinrich VIII.
Rosenduft war erstickend, beinahe Übelkeit erregend, aber ich gewöhnte mich schließlich daran – in gewisser Weise. Ich hatte stets wachsam und munter zu sein und musste mich so blind und fühllos zeigen, wie ich nach Vaters damaligen Worten war.
Trotz der prächtigen, großen Fenster mit den hunderten von klaren kleinen Scheiben, die wie Edelsteine in den Rahmen gefasst waren, hatte er befohlen, die Vorhänge zu schließen, damit kein überflüssiges Licht eindringen konnte. Von seiner Bettstatt aus hätte Vater einen Blick auf Felder und Himmel gehabt, aber darauf verzichtete er. Stattdessen lag er auf dem Rücken auf einem langen Sofa, umgeben von Kissen und den allgegenwärtigen kleinen Leintüchern. Dann plauderte er müßig oder sagte gar nichts, sondern starrte nur betrübt auf das Kruzifix auf dem kleinen Altar am anderen Ende des Zimmers. Er war sehr fromm, wie alle aus dem Hause Lancaster – wenn auch nicht in verrücktem Maß wie sein Halbonkel Heinrich VI .
»Gestern habe ich gesehen, dass du eine Gabel zum Essen benutzt«, sagte er plötzlich. Seine Stimme war so leise, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen.
»Ja«, sagte ich. Alle jüngeren Männer und Frauen bei Hofe benutzten mittlerweile Gabeln.
»Französische Art«, sagte er verträumt. »Die Franzosen können schlau sein. Einen kleinen Dreizack bei Tisch zu benutzen – ja – das ist schlau. Der König von Frankreich hat mir einmal freies Geleit gewährt. Wusstest du das?«
»Nein, Sire.« Warum reden die Alten immer so ziellos? Selbstverständlich schwor ich mir in diesem Augenblick, es niemals zu tun.
»König Richard bestach den Herzog der Bretagne, als ich im Exil war. Besser gesagt, den Kämmerer des Herzogs, Peter Landois. Zum Austausch für mein Leben versprach er Landois die Einkünfte nicht nur meiner Grafschaft zu Richmond, sondern auch die all meiner Nachfolger. Ha!« Er lachte kurz auf und hatte dann einen Hustenanfall, der mit einem schrecklichen Gurgeln und einem durchtränkten Leintuch endete. Er zitterte und bebte.
»Lasst mich hier noch eine Decke herlegen«, sagte ich hastig und zog etwas heran, das zusammengefaltet zu seinen Füßen gelegen hatte. Erst als ich es ausgebreitet hatte, erkannte ich es wieder: das Löwenfell von jenem greulichen Schauspiel, das vor so langer Zeit stattgefunden. Der Schwanz hing an der Seite vom Sofa herunter, und der haarige Quast hatte wunderliche Ähnlichkeit mit einer Zierfranse.
»Besser. So ist es besser«, wisperte er. »Der König von Frankreich – er sagte, ich würde dort in Sicherheit sein. Und das war ich auch. Das war ich auch. Zuerst musste ich Landois entrinnen, aber das war leicht. Ich verkleidete mich einfach als Diener meines eigenen Dieners. Im Wald wechselte ich das Gewand. Und dann ritten wir, so schnell es ging, der französischen Grenze zu. Die Bretagne gehörte damals nicht zu Frankreich, weißt du«, fügte er hinzu.
»Ich weiß.« Ich schaute ihn an und bemühte mich, irgendwo in ihm den walisischen Abenteurer zu sehen. Aber da war nur ein alter Mann, der fröstelnd unter seinen Decken in einem überheizten Zimmer lag.
»Manchmal sind die Franzosen unsere Freunde, manchmal unsere Feinde. Sie haben mir Zuflucht gewährt, aber als ich dann König wurde, gewährten sie auch dem Herzog von Suffolk Zuflucht. Edmund de la Pole.«
»Der Weißen Rose«, ergänzte ich verbittert. »Dem Liebling der Yorkisten.«
»Sie gewährten ihm nicht nur Zuflucht, sondern erkannten ihn als den rechtmäßigen König von England an und ehrten ihn entsprechend! Oh, es war eine muntere Zeit für ihn, dort am französischen Hof. Aber schließlich konnte ich die verlogenen Franzosen zwingen, ihn auszuliefern. Und jetzt ist er im Tower. Solange er lebt, bist du in Gefahr.«
»Obwohl wir ihn gefangen halten?«
»Du wirst ihn hinrichten lassen müssen«, stellte er nüchtern fest. »Sein Leben ist ein Luxus, den du dir nicht leisten kannst.«
Ich war fassungslos. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich jemanden hinrichten lassen sollte, bloß weil es ihn gab oder weil er das falsche (oder das richtige?) Blut in seinen Adern hatte. »Das kann ich nicht!«, rief ich entsetzt. »Er hat doch nichts getan!«
»Er existiert. Das genügt.«
»Nein!«
»Er ist ins Ausland geflohen und hat sich an einem fremden Hof als rechtmäßiger König von England ehren lassen. Seine Absichten sind verräterisch.«
»Absichten sind keine Taten.«
»Heinrich! Im Namen des Herrn, es ist von
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