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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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auf. Die Frauen kreischten. Katharina ließ einen Schmuckkasten fallen, ein aus Elfenbein geschnitztes Stück, und er zerbarst am Boden. Sie riss die Hände vor den Mund. Offenbar war sie im Begriff gewesen, schlafen zu gehen; sie trug einen weinroten Schlafrock über ihrem Nachtgewand. Ihr bernsteinfarbenes Haar war gekämmt und schimmerte im Fackelschein. Ich fand, sie sei außergewöhnlich schön, dem angeschwollenen Leib zum Trotz.
    »Ah!«, sagte ich. »Die Königin ergibt sich mir.« Ich streckte die Hände aus (Katharina erkannte zweifellos die Ringe an meinen Fingern) und nickte den Musikanten zu. »Spielt eine Pavane, wenn’s recht ist.« Ich nahm Katharina bei der Hand, und wir begannen zu tanzen.
    »Ich weiß, dass Ihr es seid, mein Lord«, flüsterte sie, als wir einander bei einem Tanzschritt nahe kamen.
    »Wirklich?« Ich genoss das Spiel. »Seid Ihr sicher?«
    »Ja«, sagte sie, und ihr samtener Mantel streifte den meinen. »Ich erkenne Eure Hände, Eure Berührung, unter zehntausend.«
    Ich lächelte unverbindlich. Die Legenden von Königen und Prinzen, die verkleidet umhergingen, hatten mich immer fasziniert – die römischen Kaiser etwa, und Heinrich V., ehe er den Thron bestieg. Es konnte gefährlich sein (und wäre es nur, weil man etwas zu hören bekäme, was man nicht hören sollte), aber ich brannte darauf, es auch einmal zu tun.
    Plötzlich erbleichte Katharina, und sie taumelte gegen mich. Ihre Hände krampften sich in ihren Leib. Die Musik spielte beharrlich weiter, aber sie stand wie angewurzelt. Dann schrie sie auf und sackte zu Boden.
    Wir alle erstarrten. Nur Wolsey (Wolsey, stets zugegen, war auch jetzt erschienen, um sich zu vergewissern, dass das mitternächtliche Fest ordnungsgemäß vorbereitet sei) wusste, was zu tun war.
    »Einen Arzt«, sagte er leise zu einem Pagen, der neben ihm stand. Mit ruhiger Stimme erteilte er seine Befehle. »Bringt Ihre Gnaden in die Wöchnerinnenstube. Noch nicht bereit? Dann legt sie in ihr Bett.« Die eben noch »munteren Mannen« hoben Katharina auf und schafften sie in ihr Schlafgemach. Hofdamen, Ärzte, Zofen – alle strömten in der Kammer der Königin zusammen und brachten reine Tücher und Arzneien und Instrumente, und Katharina schrie unter den uralten Qualen der Geburt.
    Als der Morgen graute, war alles vorüber: Das Kind war geboren, ein scheußliches, halbfertiges Ding, dreieinhalb Monate vor der Zeit. Tot. Im blauen Licht der Frühe schafften sie es fort und verscharrten es irgendwo –
ich weiß nicht, wo. Es hatte keine Seele und bedurfte nicht der kirchlichen Sakramente.
    Allein im bläulichen Schimmer, begab ich mich zu Katharina. Sie lag weiß und schweißfleckig auf einem Sofa, während die Zofen das blutgetränkte Linnen von ihrem Bett abzogen und ein frisches brachten. Sie umklammerte ein Kruzifix und sah halb tot aus, wie sie so dalag mit offenem Mund. Ein schrecklicher Gedanke ging mir durch den Sinn: Wie hässlich sind die Frauen im Kindbett. Dies war nicht meine Katharina, sondern ein Weib von fünfzig Jahren, eine hartgesichtige Fremde.
    Ich kniete neben ihr nieder, aber sie schlummerte tief und rührte sich nicht. Schließlich erhob ich mich und ging hinaus. Ich hatte nicht geschlafen und war dennoch nicht müde – im Gegenteil: Ich fühlte mich unnatürlich wach und gespannt. Mit steifen Beinen trat ich hinaus in Katharinas Audienzgemach, wo noch die Fackeln vom Tanz brannten. Ich löschte sie und setzte dann meinen rastlosen Gang in meine eigenen Gemächer fort. Es war ein hässlicher Morgen, der graute. Graupel prasselte gegen die Fenster. Es war kalt in den Korridoren.
    Noch vor kurzem war die Kälte mir willkommen gewesen. Ich hatte eine kalte Weihnacht gewollt, und ich hatte sie bekommen. Was immer ich wollte, ich brauchte es nur zu befehlen. So jedenfalls hatte es ausgesehen.
    Aber was ich am meisten gewollt, was mir mehr als alles andere am Herzen gelegen hatte, war verloren.

XVIII
    Will:
    J a, anscheinend hatte er die magische Kraft, das Schicksal zu regieren, verloren, die ihm wie zum Spott für eine Weile verliehen gewesen war. Die nächsten zwanzig Jahre sollte er darauf verwenden, sie wiederzugewinnen – Jahre, in denen alles geschah, während doch nichts geschah. Sie waren schmerzhaft für ihn, ohne ihn zu berühren oder im Wesen zu verändern. Danach war er verwirrt und lebte in jenem Zustand zwischen Zorn und Kränkung: Später dann war er auf Gnade und Ungnade in der Hand der Hexe.
    Heinrich

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