Ich, Heinrich VIII.
dann würde der König ihren Scharfsinn bewundern.) Ich ließ sie im Dunkeln, und sie schwatzte endlos von ihren Stiefkindern, die es allesamt verdienten, in den Adelsstand erhoben und (jetzt kam es) mit einer Position bei Hofe ausgestattet zu werden. Mary, George und Anne. (Verflucht diese Namen, alle miteinander! Hätte ich sie doch nie gehört!) Ich entwand mich ihr, sobald ich konnte.
Will:
Ich bin sicher, er hat Mary nicht absichtlich in diesen Wunsch mit eingeschlossen; und keinesfalls hätte er die Kinder verwünscht, die dafür sorgten, dass er sich der Umschlingung der Boleyns nicht entwinden konnte. Wären die Töchter nur ebenso wenig ansprechend gewesen wie die Mutter! Übrigens, hiermit sollte dem alten Gerücht, er habe auch mit Lady Boleyn selbst getändelt, endgültig der Garaus gemacht worden sein. Woher es kommt, kann ich mir beim besten Willen nicht denken; mancher, der ihm übel will, ist wohl entschlossen, den König so darzustellen, als sei seine Geilheit an Größe und Wahllosigkeit der des Jupiter selbst gleichgekommen.
Heinrich VIII.:
Es wurde nun Zeit für das musikalische Zwischenspiel. Zur Überraschung aller ergriff ich meine Laute und schritt in die Mitte der Halle.
»Ich habe ein Lied für diese Festtage geschrieben«, verkündete ich. Es entsprach nicht ganz der Wahrheit; eigentlich hatte ich es nur für mich geschrieben, um mir darüber klar zu werden, was ich mir vom Leben erhoffte. Alle starrten mich an, aber ich schlug einfach in die Saiten und fürchtete mich nicht. Kühn begann ich zu singen:
Zeitvertreib in guter Runde
Lieb ich bis an meinen Tod.
Brumm, wer will! Zu keiner Stunde,
So’s Gott gefällt, kommt mein Verbot.
Tafelkränze,
Jagd, Lieder, Tänze
Mein Herz begehrt!
Regsames Leben
Soll mich erheben!
Wer ist’s, der’s mir wehrt?
Junger Geist muss fabulieren,
Tafelfreuden auch dazu!
Freundesrunde allzumal
Macht vergessen Traum und Qual.
Denn Müßiggang
Ist der Anfang
Von Lastern viel.
Wer kann denn sagen:
Das Vergeuden von Tagen
Sei wie ein Spiel?
Freundschaft, in der Würde liegt,
Ist Tugend – und das Laster flieht.
Freunde sind mal gut, mal schlecht,
Doch jedes Menschen Wahl ist recht.
Das Beste such ich,
Dem Übel fluch ich.
Mein Sinnen soll sein:
Tugend begehren,
Lastern wehren.
Ich begehr mein.
Was ich gesungen hatte, galt für mich; gleichwohl umbrandete mich wilder Applaus, als ich geendet hatte. Offenbar hatte ich auch die heimlichen Empfindungen anderer berührt – wie jeder Künstler es ja tun muss. Ich war tief bewegt.
Will:
Leider habe ich den Verdacht, dass außer dir niemand tief bewegt war, wenngleich dein Publikum dir gebannt und aufmerksam zuhörte. Wie tapfer und wie schön musst du ihnen erschienen sein, als du so unverhofft ganz allein in ihrer Mitte standest. Wahrscheinlich war es das, was sie rührte, und nicht dein banales Lied.
Übrigens, Catherine, fühle ich mich gedrängt, Euch wegen Heinrichs hässlichen Bemerkungen über Eure Familie um Vergebung zu bitten. Ihr wisst, er hat nicht immer so empfunden, und niemals hat er diese Feindseligkeit auf seine Kinder übertragen.
Heinrich VIII.:
Am Neujahrstag 1510 versammelte sich alles – vom Herzog von Buckingham, dem höchsten Edelmann im Lande, bis zum gemeinsten Küchenjungen – in der Großen Halle zur förmlichen Bescherung. Bis dahin war dies nicht gebräuchlich gewesen; ich aber hatte die Absicht, daraus den Höhepunkt der Weihnachtsfeierlichkeiten am Hofe zu machen. Dank Wolsey und seinem unermüdlichen Wirken hatte der König ein persönliches Geschenk für jeden: ein besticktes Taschentuch für den eitlen Gehilfen des Gewandmeisters; ein Fläschchen spanischen oporto für den Koch, der dafür eine Vorliebe hatte; einen gesegneten Rosenkranz für den jüngsten Priester der königlichen Kapelle. Für andere, die mir näher standen, hatte ich die Geschenke selbst ausgesucht. Wolsey bekam einen dicken Wollteppich aus der Türkei, bei dessen Beschaffung weder Kosten noch Mühen gescheut worden waren (ich wusste ja, wie wählerisch er war); für Katharina hatte ich eine juwelenbesetzte Heilige Schrift (da ich auch hier wusste, wie fromm sie war, wenn es mir auch noch unwesentlich erschien); Warham und Fox und Ruthai bekamen reich verzierte Messbücher. Und dann – eine kleine private List – schenkte ich More ein Astrolabium. Er trat vor, nahm das Paket feierlich in Empfang und kehrte an seinen Platz zurück. Die Etikette verbot, dass er es hier
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