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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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schlichte, karg eingerichtete Kammer schweifen. Seine Tische waren leer: Er hatte alle seine Papiere mitgenommen.
    »Und wo ist das?«
    »Bei Meister Lark, Euer Gnaden. Er hat ein Gasthaus namens …« Mit angestrengt verzogenem Gesicht wühlte er in seinem Gedächtnis. »Es heißt ›Larks Morgen‹, in der Nähe von Chilham.«
    Lark. Lark. Die Lerche – wo hatte ich diesen Namen schon gehört. »Morgen der Lerche« – ein guter Name für ein Gasthaus. Ich würde es finden. Bei Gott, das gäbe einen hübschen Morgenritt, wie ich einen gebrauchen konnte. Sollte ich Katharina einladen? Ein gemeinsamer Galopp durch die feuchte Märzluft – doch nein, dies war die Stunde ihres Gebets. Gleichwohl, fragen konnte ich immerhin. Vielleicht würde sie ja …? Nein. Wohl nicht.
    So benutzen wir unsere vorgebliche »Kenntnis« anderer, um in ihrem Namen zu sprechen, und verurteilen sie dann für die Worte, die wir ihnen selbst in den stummen Mund gelegt haben.
    Ich hatte Katharina im Geiste gefragt und eine Absage erhalten, und so stand es mir nun frei, allein zu reiten.
    Ich genoss diesen Ritt. Im Galopp ging es über kahle, frostharte Felder und stumpfe braune Erde. Der März ist ein hässlicher Monat, hässlicher noch als der November, sein lebloses Gegenstück. Ich war froh, als ich »Larks Morgen« erreicht hatte (leicht zu finden, an der Hauptstraße nach Dover) und mich drinnen am Feuer wärmen und mir heißes Ale in den Bauch rinnen lassen konnte.
    Die Tochter des Wirtes (sie war zu jung und zu hübsch, als dass sie seine Frau hätte sein können) schien mir in ungewöhnliche Aufregung zu geraten, als sie mich erkannte. An das Aufsehen, das meine Gegenwart erregte, hatte ich mich inzwischen gewöhnt (seltsam, wie leicht man sich daran gewöhnt, für einen Gott gehalten zu werden), aber sie hatte offenbar mehr Angst als Ehrfurcht vor mir. Das wunderte mich, und ich achtete darauf, in sanftem Ton mit ihr zu sprechen, um ihr die Angst zu nehmen.
    »Ich suche Thomas Wolsey, einen meiner Almoseniers. Sag mir, ist er in der Nähe?«
    Sie lächelte – besser gesagt, ihre Lippen zuckten.
    »Vater Wolsey«, sagte ich. »Ein Priester.«
    »Aye. Er hat im Nachbargehöft Quartier bezogen.«
    In einem Gehöft? Was war in ihn gefahren? »Ich danke dir.«
    Die windschiefe Kate lag etwa fünfzig Schritt weit hinter dem Gasthaus, durch eine Hecke verborgen. Das war ein Glück, denn sie war ein solcher Schandfleck, dass sie dem Wirt sonst die Gäste vertrieben hätte.
    Draußen spielten zwei kleine Jungen. Wie immer, wenn ich männliche Kinder sah, stiegen Schmerz und (ja, ich gebe es zu) Zorn in mir auf. Ich wandte mich ab und zwang mich, den Blick von ihnen zu wenden.
    Ich stieß die lose in ihren Angeln hängende Tür auf. Sogleich erkannte ich den charakteristischen, schweren Geruch von Metall. Eine schwarz gewandete Gestalt bewegte sich drinnen und brachte den konzentrierten Dunst, die Essenz des Krieges an sich, in Wallung.
    »Wolsey!«
    Fast hätte er einen Satz gemacht – das einzige Mal, dass ich ihn je überrascht gesehen hatte.
    »Euer Gnaden!« So ruckartig fuhr er herum, dass die Falten seines Gewandes ihn wie Schaum umwirbelten.
    »Was tut Ihr hier?« Meine Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Ich ließ die Tür vollends nach innen schwingen und erblickte Stapel von Schilden, Helmen, Lanzen, Kettenhemden, Schwertern und Pistolen auf dem Lehmboden.
    »Ich prüfe die Ausrüstung, Euer Gnaden. Ich habe hier ein Muster für jedes Stück, das uns zur Verfügung steht, dazu die Preise und die Lieferzeiten« – er griff nach einem Stoß Papier und begann, darin zu blättern –, Herstellungsdauer und Verfügbarkeit. Bevor wir Aufträge erteilen können, ist es erforderlich, dass wir die Qualität aus erster Hand begutachten. Die Gießerei zu Nürnberg etwa … ihre Schilde kommen mir arg dünn vor, Euer Gnaden.« Er nahm einen oval geformten Schild von einem Stapel. »Drückt einmal auf diese Stelle. Seht Ihr? Er lässt sich allzu leicht einbeulen. Man muss allerdings auch die Lieferfristen berücksichtigen, im Gegensatz zu Mailand etwa, von wo die Ware unter Umständen ein Jahr braucht, bis sie uns erreicht.« Die Fakten sprudelten aus ihm hervor, und seine Stimme vibrierte vor Erregung.
    »Wie … wie habt Ihr das alles beschaffen können?« Ich hatte ihm den Auftrag am Dienstag erteilt, und jetzt war Freitag.
    »Euer Gnaden! Ich betrachte es als eine Ehre, jeden Auftrag gründlich und schnell zu erledigen.«
    Mit

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