Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
Licht brannte, am Fußende des Sofas lag Bettzeug auf einem Haufen, Daniel stand am Hintereingang, hielt mit einer Hand den Vorhang einen Spalt offen und spähte in den Garten. Livs Schultern verkrampften sich.
Auf Zehenspitzen schlich sie die Treppe hinunter. »Haben Sie was gehört?«, flüsterte sie.
Er war barfuß, seine Hose war zerknittert, sein Hemd stand offen. »Nein«, sagte er ruhig.
»Was ist los?«
»Nichts. Ich habe schlecht geschlafen. Sie haben guten Tee.« Er hob die Tasse hoch, die er in der Hand hielt.
»Danke.«
»Warum sind Sie aufgestanden?«
Sie legte den Kopf schief. »Schlecht geträumt.«
»Möchten Sie auch einen Tee?«
»Wie viel Uhr ist es?«
Er hob das Handgelenk. »Elf nach zwei.«
»Ich verzichte auf Tee.« Sie blieb einen Augenblick stehen, weil sie sich nicht sicher war, wie man sich während einer geflüsterten Unterhaltung mitten in der Nacht in einem halb dunklen Zimmer korrekt verhielt.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie Blümchen und Herzen tragen«, sagte er.
»Hä?«
»Ihre … Klamotten.«
Sie blickte an sich herab auf die Pyjamahose. Pinkfarbene Herzen und Gänseblümchen. »Was hatten Sie denn erwartet? Das ist ein Pyjama. Die gibt es nur mit Herzen und Blümchen.«
»Ich dachte eher an einen Trainingsanzug oder ein Negligée.«
Sie schwieg. Hatte er tatsächlich darüber nachgedacht? Redeten sie beide tatsächlich über Nachtwäsche? »Tut mir leid, dass ich Sie enttäusche.«
»Ich sehe nichts Enttäuschendes.«
Wieder eine Pause. Ihr Herz schlug ein wenig nervös. »Ich gehe wieder ins Bett.«
»Okay.«
Als Liv das nächste Mal aufwachte, lief der Fernseher. Es war halb sieben, Cameron lag nicht in seinem Bett. Er saß am Küchentresen, aß Toast und trank Kaba.
»Daniel hat Frühstück gemacht«, rief er, während sie noch auf der Treppe stand.
»Wie nett von ihm.« Nur dass sie sich gewünscht hatte, Daniel wäre verschwunden, bevor Cameron aufwachte. Sie hatte Cameron gesagt, sie müssten noch was besprechen – doch es gab keine vernünftige Erklärung dafür, weshalb der Mann, der gestern an der Tür gestanden hatte, immer noch da war.
»Danke, dass Sie mir Ihr Sofa geborgt haben«, sagte Daniel und kam aus der Küche. »Ich werde heute dafür sorgen, dass das Loch in meinem Dach repariert wird.«
Sie lächelte ihn dankbar an und zog ihren Morgenmantel fester. Loch im Dach, Bett auf dem Sofa – das könnte gehen. »Kein Problem.«
Die Decke auf dem Sofa war zusammengefaltet, er hatte seine Schuhe angezogen und eilte zur Eingangstür. Er blieb neben ihr stehen. »Keine Albträume mehr?«
»Nichts, was mich aus dem Bett getrieben hätte. Haben Sie etwas Schlaf bekommen?«
»Genug. Wir sehen uns bei der Arbeit.«
Während sie Cameron ein Sandwich für die Schule machte, sprudelte es nur so vor Begeisterung aus ihm heraus.
»Daniel ist hundertvierundneunzig Zentimeter groß.«
»Ach, ja?«
»Jau. Und er hat eine Narbe am Kopf, weil er einen Auffahrunfall gehabt hat.« Er klatschte beide Hände zusammen, um es ihr zu zeigen.
»Tatsächlich?«
»Genau. Er hat gesagt, die Feuerwehr musste kommen und ihn mit einem großen Ding rausschneiden.« Er hob die Fäuste, ballte sie in der Luft und verzog dann das Gesicht, als bräuchte er übernatürliche Kräfte, um sie zusammenzupressen.
»Ach, du meinst eine Rettungsschere.«
»Ja. Rettungsschere. Dann haben die Feuerwehrmänner ihn gefragt, ob er bei ihnen arbeiten will, dann musste er jeden Tag im Feuerwehrauto fahren. Darf ich Benny meine Brotkanten geben?«
Liv warf einen Blick zur Hintertür. »Komm, das machen wir zusammen.«
Cameron kletterte auf das Hochbeet und streckte sein Kinn über den Zaun in den Nachbargarten. »Benny! Hier, alter Junge!«
Die Fliegengittertür im Nachbarhaus flog auf, und Trevor kam in den Garten.
»Wo ist Benny?«, rief Cam.
Liv sah Trevor an, als er auf sie zukam, seine Glatze glänzte unter dem grauen Himmel nicht wie sonst. Er sagte nichts, bis er sie beide über den Zaun hinweg ansah. »Er ist nicht da, Kumpel.« Doch irgendetwas in seinem Tonfall veranlasste Liv, Cameron festzuhalten.
»Wo ist er?«, fragte Cameron.
Trevor sah Liv eindringlich an. »Vielleicht weiß es deine Mom.«
Sie hatte keine Ahnung, wie er das meinte, doch es klang drohend, und das reichte ihr. »Liebling, geh wieder rein. Es ist Zeit, dass du dich für die Schule fertig machst.«
»Aber was ist mit Benny?«
»Ich rede kurz mit Trevor, zieh dich schon mal an.«
Er
Weitere Kostenlose Bücher