Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
Terminkalender vornehmen sollen, aber erst mal musste sie eine vertraute Stimme hören.
»Sheridan, hier ist Liv. Wie geht es dir?«
Sheridans Stimme klang brüchig und erinnerte Liv an die ihres Vaters. Sie presste die Lippen zusammen, hörte ihrer Freundin zu, die Sätze zu stammeln versuchte, und fühlte sich schlecht, weil sie angerufen hatte, nur um selbst Trost zu finden.
»Sie haben mir den Kopf rasiert. Ich habe seitlich eine Riesenlücke am Kopf. Liv, ich bin halb kahl.«
»Es tut mir so leid.« Sie wünschte, sie hätte etwas Besseres sagen können.
»Ich kann mich nicht erinnern, was passiert ist. Die Polizei hat sich nach dir erkundigt. Alles in Ordnung?«
»Ja, es geht mir gut.« Sie war froh, dass Sheridan sich nicht mehr an den Stein erinnerte, der durch ihre Windschutzscheibe geflogen war.
»Andy wollte mir nichts sagen. Er ist total sauer auf dich. Warst du mit mir im Auto? Sind wir irgendwo hingefahren?«
Sheridan konnte es nicht leiden, wenn sie etwas nicht wusste, ihre ganze Karriere basierte auf Geschichten über Menschen, sie war detailverliebt. Liv war versucht, ihr wenigstens das Wesentliche zu erzählen – sie hatte ein Recht, es zu erfahren. Doch aus irgendeinem Grund hatte Andy beschlossen, ihr nichts zu sagen, und sie wollte nicht wieder einen Keil in eine Beziehung treiben. »Nein, du bist von der Arbeit gekommen.«
»Kelly war da, als ich geschlafen habe. Sie hat Andy erzählt, dass Teagan auch hier ist. Irgendwas mit ihrem Auge stimmt nicht.«
»Ja.«
»In letzter Zeit kommen zu viele Leute ins Krankenhaus. Wir sollten mehr auf uns achten. Vielleicht sollten wir mehr Fisch essen«, sagte sie scherzend.
Sheridan versuchte ihre Lage zu begreifen. Liv sollte sie unterstützen und ihr Mut zusprechen. Doch sie fühlte sich so schuldig, dass sie nur um Vergebung für die schweren Verletzungen bitten wollte, die ihr verdammt katastrophales Leben anderen zufügte. »Ich koche dir Fisch, so viel du willst, wenn du wieder draußen bist.« Sie verabschiedete sich und verfluchte laut den grausamen Verrückten ohne Gesicht, dem es offenbar einen Kick versetzt hatte, ihre Freunde zu verletzen. Warum griff er nicht sie direkt an?
Liv stellte das Telefon um und sagte Kellys Termine ab, zwischendurch googelte sie alle, die in ihrem Gebäude arbeiteten. Ihre Internetkenntnisse waren nicht besonders, und sie wusste nicht, wie man an gelöschte Informationen kam, dafür konnte sie googeln, in Zeitungsarchiven stöbern und sich Informationen über soziale und berufliche Netzwerke holen. Auch wenn sich das wie ein Eingriff in die Privatsphäre anfühlte. Sie wusste nicht, wonach sie suchte. Vielleicht nach einer Verbindung oder irgendwelchen Parallelen. Irgendetwas, das der Erinnerung auf die Sprünge helfen würde. Doch ein Trommelwirbel und Blinklichter wären hilfreicher gewesen.
Sie stellte fest, wie wenig sie über die Menschen wusste, mit denen sie täglich im gleichen Gebäude arbeitete.
Mandy, die Reisekauffrau, war früher Tänzerin im Moulin Rouge gewesen und hatte letzten Monat eine schreckliche Trennung von ihrem Freund hinter sich. Chad, der Ernährungsberater, schrieb für ein internationales Ernährungsmagazin und stand auf Heavy Metal. Ahmed, der Kieferorthopäde, war Freiwilliger bei Zahnärzte ohne Grenzen, flirtete gerne online mit Singlefrauen und interessierte sich für Filme und Reisen. Anthony, der Anwalt, hatte einen Mann verteidigt, der seinen Arbeitgeber um achthunderttausend Dollar betrogen hatte. Gino und Mariella fertigten Perücken für Chemotherapiepatienten und hatten einen Enkel auf Drogenentzug.
Dann kam Daniel dran. Er war in keinem sozialen Netzwerk, auf keiner Firmenseite, kein Artikel hatte ihn kürzlich erwähnt. Dafür tauchten sein Name und sein Gesicht in unzähligen Zeitungsarchiven in Verbindung mit der Katastrophe im Central Coast und den folgenden Untersuchungen auf. Der erste Artikel war zwei Jahre alt und berichtete über die Ergebnisse der Untersuchung und die neun Opfer. Er machte die Baufirma Mackey & Mackey für den Einsturz des Gebäudes verantwortlich und damit für die Todesfälle. Der Artikel hielt außerdem fest, dass Feuerwehrmann Daniel Beck keine Schuld am Tod von Leanne Petronio traf, die er sieben Stunden lang zu retten versucht hatte.
Ein Artikel von vor einem Monat berichtete von den Anhörungen und der Auseinandersetzung zwischen zwei Zeugen vor dem Gerichtssaal – Daniel und einem gewissen Roger Mackey, Mitinhaber der
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